The Birthday Girls
© Sacha Saxer

Nichts für Schnellschüsse

Die Band The Birthday Girls tauften am Freitag, 09. März 2018, ihr drittes Album Disco Fragile in der Zürcher Amboss Rampe. Ein Marathonläufer kann von diesem Abend noch viel lernen…

Kurz nach 20 Uhr erreichte ich an diesem eher milden Märzabend die Amboss Rampe – es standen bereits einige Leute vor dem Eingang, sie plauderten miteinander, tranken Bier und zogen sich ihre Zigaretten rein. Eine Fünfergruppe haute ich spontan an und fragte nach, auf was sie sich denn heute Abend am meisten freuen. “Auf das Bier”, antwortete der Grösste, die anderen – ich inklusive – mussten lachen. Das spricht für die Band… “Also ehrlich gesagt, ist jemand aus der Band unser Arbeitskollege und sie spielten bereits an Apéros bei uns im Geschäft, da wollten wir sie natürlich heute auch live sehen”. Glück muss man haben, wenn man einfach mal bei einem Mitarbeiterapéro eine solche Band vorgesetzt bekommt.

Party und Backstage? Fast…

Kurz nach 20.30 Uhr wurde ich vom Manager Simon abgeholt und der Band vorgestellt. Im Backstage Bereich war es überraschend ruhig. Viele Sofas, im Barockstil gehalten, sorgten für eine gemütliche Atmosphäre. Das eher dunkle Licht der Kronleuchter wurde noch zum Verhängnis, wie sich später herausstellen sollte. In der einen Ecke sass Caroline Alves. Die Bielerin, welche seit zwei Jahren ihre eigenen Songs schreibt, ist das zweite Mal in Zürich. “Ich spiele heute den Support Act von den Birthday Girls”, erklärt sie mir auf sympathische, wenn auch zurückhaltende Art. Ich gehe weiter umher, sehe zwei junge Frauen, die mehrmals die Bandshirts für den Merchstand durchzählen und neu anordnen, einige Fotografen, die sich im Stehen eine Pizza hineindrücken und die Band. “Habt ihr wirklich Zeit für ein Interview?”, fragte ich nach. “Ja klar, das passt schon.” Obwohl der Raum eine Ruhe ausstrahlte, nahm ich eine gewisse Anspannung wahr, was vollkommen normal vor einem solchen Gig ist. “Nein, Ercan, hast du nun die CD auch drinnen signiert? Shit!” Will, Thomas, Ercan, Gabriel und Markus signierten im Fliessband Takt Alben und Plakate, währenddessen versuchte ich mein Handy in Position zu bringen. “Setzt euch bitte mal alle näher zusammen!” So nun kann es losgehen. Entsetzt musste ich jedoch feststellen, dass sich dieses schummrige Licht der Kronleuchter unvorteilhaft auf meine Handykamera auswirkte. Ich sah überhaupt nix! Ohjemine, dachte ich mir. “Benutze sonst meine Kamera, dann kannst du den Ton von dem Handy nehmen”, meinte Will und installierte kurzerhand seine Kamera auf dem Stativ. Perfekt! Nach etwa fünfzehn Minuten waren wir durch und ich ging durch die Gänge der Amboss Rampe zur Bühne.

Wenn der Auftritt das Fitnessabo ersetzt

Caroline Alves spielte soeben ihren letzten Song der EP Unbound an. Die Rampe war bis auf den letzten Platz gefüllt. Schön, denkt sich der Artist im Normalfall. Bei Caroline Alves war es leider nicht der Fall. Die vielen Leuten lauschten der souligen Stimme jedenfalls kaum.

Der Pegel im Raum stieg immer höher, nicht nur jener der Lautsprecher. Die Mehrheit des Publikums war etwas um die vierzig. Diese wirkten alle extrem ausgelassen und frönten dem Gig von The Birthday Girls entgegen. Kurz nach 22.15 Uhr ging es dann steil los.

Wer denkt, dass das Schweizer Publikum eine Aufwärmphase benötigt, der muss sich ein Konzert von The Birthday Girls reinziehen. Von der ersten Minute an waren die fünf Musiker im sechsten Gang unterwegs. Zeit zum runterschalten? Fehl am Platz! Nebst Groupies in der ersten Reihe und Frauen auf Schultern, die lauthals mitsangen, herrschte eine partyfreudige Stimmung. Bei Standing Tall, der zweiten Single von Disco Fragile, welche am 23. Februar 2018 veröffentlicht wurde, sassen die Texte im Publikum bereits extrem sicher. Kurzes Stadion Flair durchzog bei diesem Song die Rampe. Natürlich fehlten die Klassiker wie So Serious oder Walk In The Rain nicht. Nach etwa zwanzig Minuten musste ich bei der Bar nachfragen, ob sie denn Ohrstöpsel hätten “Bei der Garderobe”, kam als Antwort – oh, oke, die Amboss Rampe war bis auf den letzten Quadratmeter gefüllt. Kurz darauf gesellte sich Simon nochmals zu mir, einige Sessel aus dem Raum mussten in den Backstage Bereich gebracht werden: “Es hat so viele Leute, es hat sonst keinen Platz.” Kurz darauf kam der sympathische Mann von der Amboss Rampe mit Ohrstöpsel in der Hand zu mir, “hier, ich konnte schnell hintenrum gehen.” Perfekt, so bekomme ich keinen Gehörschaden, The Birthday Girls ballerten ordentlich einen raus.

Müde? Nein!

Um etwa 23.30 Uhr dachte ich mir, wie lange sie wohl noch spielen würden? Ermüdungen? Fehl am Platz! Die fünf spielten wie eine Horde junger Wiesel vollgepumpt mit Adrenalin weiter. “Heute ist ja die Plattentaufe von Disco Fragile, darum taufen wir diese CD nun auch”, sagte Sänger Thomas der Menge zugewandt. Das Album wurde mit Bier übergossen und lachend zogen die gut gelaunten Musiker weiter. Nicht weg von der Bühne. Nein, weiter im sechsten Gang!

Irgendwann konnte ich fast nicht mehr zuhören. Klar, die Show war eins-a und sie wissen definitiv, was sie tun, denn sie tun es mit Leidenschaft. Doch um 00.15 Uhr schwächelte meine Aufmerksamkeit dann doch. Sie gaben noch einige Zugaben und kurz nach 00.30 Uhr war Disco Fragile definitiv bis auf den letzten Meter getauft worden. Ende Gelände? Nein, jetzt fängt die After Party erst richtig an! Für mich war nun Schluss.

Ich verliess die Rampe erschöpft und gut gelaunt in einem. Was The Birthday Girls an diesem Abend servierten, war einfach nur eins: Eine abartig geile Show, von der ein Marathonläufer noch viel lernen kann; Ausdauer und Freude.