Michael Kiwanuka
© Stories of Ley

Wo Talent auf Höhe trifft – Zermatt Unplugged

Bereits zum 14. Mal fand das Zermatt Unplugged statt. Am Freitag, 12. April 2019 hiess es für uns Koffer packen und ab ins Wallis.

Zugegebenermassen, es gab einen bestimmten Grund sich für das Zermatt Unplugged zu entscheiden. Für mich kommt er aus London und heisst Michael Kiwanuka. Doch bevor wir mit dem vermeintlichen besten Soul-Musiker der Neuzeit beginnen, gibt es noch viele kleine Anekdoten vorab…

Kurz nach 13 Uhr erreichten wir nach einer entspannten Zugfahrt von Zürich in Wallis, Täsch. Dort eingecheckt durften wir eine kleine Zeitreise in die 80er machen (inkl. Comic Sans A4-Blatt Wettervorhersagen im Lift).

Zermatt – Bilderbuch?

In Zermatt ziehen die letzten Wolken vorbei, der Himmel strahlt blau und klar. Nach dem Briefing der sehr hilfsbereiten Zermatt Unplugged Crew, führen unsere ersten Schritte eine Wendeltreppe hinunter. Schwups, laufen wir in James Bay hinein. Komplett in schwarz gekleidet und mit RayBan Sonnenbrille auf dem Kopf zieht er schlendernd Richtung Zeltbühne für seinen Soundcheck.

Links und rechts ziehen geschäftige Asiaten ziehen an uns vorbei. Foto von einem Haus, Foto von den Bergen, Foto von einer Säule. Hauptsache Fotos schiessen. Auch wenn nicht alles ganz klar beschildert ist, finden wir die geplanten Locations für heute: The Alex, Zeltbühne, Taste Village.

Cervo – cer- wo?

Doch zuerst geht es einmal quer durch Zermatt Richtung Cervo. Das Wahrzeichen von Zermatt, Wolli, äh nein Matterhorn, thront majestätisch am Horizont. Doch irgendwie sind wir gerade total unfähig das Cervo aufzuspüren. Einmal über den Fluss, den Weg hinauf, dann wieder zurück. Durch die muntere Mithilfe der Zermatter Bevölkerung schaffen wir es dann doch noch. Zwischen AVEC und uns steht gerade mal eine Liftfahrt. Lifttüre auf, raus in das Gewusel. Wir hören die Österreicherin bereits und lauschen gespannt. Bei der vorderen Treppe gibt es kein durchkommen mehr. Wir drücken uns durch eine Menge von Weisswein trinkenden Après Ski Leuten und Hotel Gästen. Beim hinteren Eingang schaffen wir es dann doch noch. Begleitet mit dem geschwängerten Trüffel Duft ziehen wir unseren Kurs Richtung Bühne. Ätsch, wir stecken fest. Nach etwa fünfzehn Minuten geben wir auf, das bringt nichts.

Wenn aus klein plötzlich gross wird

Plan B? Steiner & Madlaina auf der Campfire Stage! Wieder zurück zum Taste Village, das Zentrum des Festivals, werden wir mit gewaltigem Tempo von den Electro Taxis überholt (ui, 20km/h).

Um 15.48 Uhr treffen wir ein und siehe da, wo einst das Zürcher Duo stand hüpfen glückliche Kinder um das Feuer. Zweites Mal Ätsch! Gopf, das darf heute nicht ein zweites m4music werden, denke ich mir.

Nach einer Stunde geht es musikalisch weiter. Spontan sind Strassenunterhaltungsdienst by Söhne Mannheims für Declan J Donovan eingesprungen. Sänger Rolf Stahlhofen heisst das Zermatter Publikum willkommen. Singt freudig drauf los, zusammen mit Lisa Müller (Piano), Giuseppe Porello (Akustische Gitarre), Andreas Bayless (E-Gitarre), Meta Physics (Rap) und Michael Klimas (Gesang). Von den Söhne Mannheims wird ebenfalls Klassiker aus 1997, Geh davon aus, performt.

Einer Räuberjagd in Zermatt

Zwischendurch erzählt Rolf Stahlhofen Anekdoten aus dem Tour Leben und die Anreise aller Musiker. Aus Heidelberg, Mannheim, Frankfurt, Italien, alle sagten spontan zu, um heute dabei zu sein. Es sei wie eine grosse Familie und sie fühlen sich am Zermatt Unplugged sehr willkommen.

Mit Schalk in der Stimme beginnt er eine Geschichte zu erzählen, die bei seiner Ankunft passierte: „Ich wurde gestern mit einem E-Taxi ins Hotel gebracht. Daraufhin meinte der Taxifahrer, unser Taxi fährt satte 24km/h. Normalerweise fahren alle nur 20km/h. Als ich dann im Bett lag und nicht einschlafen konnte, kam mir folgende Geschichte in den Sinn: Wenn in Zermatt eine Bank ausgeraubt wird und es eine bahnbrechende Verfolgungsjagd gibt, die Polizei jedoch nur ein Auto von 20km/h hat und die Räuber eines mit 24km/h, würden sie diese nie kriegen“. Gelächter erklingt und weitere Songs folgen. Nach etwa fünfundvierzig Minuten Spielzeit und einer Zugabe verlassen sie die Bühne.

Kaufmann hier, Kaufmann dort

Wir bleiben gleich im Taste Village, fangen einige Impressionen mit der Kamera ein und befragen das Zermatter Publikum. Einer davon gehört zu unsern Lieblingsbündnern, Kaufmann. Immer wieder laufen wir uns über den Weg und Manu (Gitarrist der Band) meint spontan ob wir ihnen ein paar Fragen stellen sollen. Die Videos dazu kann man hier ansehen:

Um 18.45 Uhr starten The Eskies – die flockige fünfköpfige Band aus Irland heizen den Leuten ordentlich ein und sorgen damit für eine angenehme Wärme. Trotz des schönen Wetters kühlt es ab, sobald sich die Sonne verabschiedet. Wir können nicht das komplette Konzert sehen, da um 19.30 Milow und Essen noch ansteht.

Milow – keinesfalls grössenwahnsinnig

Im The Alex heisst es, bereits zum dritten Mal am Zermatt Unplugged, Bühne frei für den Belgier Milow und seine Musiker Nina Babet und Tom Vanstiphout. Das erste Mal ist im The Alex bestuhlt und Milow kündet an „heute ist Freitagabend, wer tanzen will soll tanzen, lasst uns einen schönen Abend haben“.

Ehrlicherweise muss ich gestehen, dass ich mich nicht mega auf sein Konzert gefreut habe. Ich dachte mir, wenn ich sowieso schon hier bin, kann ich ja gleich reingehen. Und schon nach dem zweiten Song muss ich eingestehen, dieser Mann hat Humor! Wenn jemand humorvoll ist, hat man mich bereits zu 99% in der Tasche :) seine Hits wie You and Me (In My Pocket) oder auch Ayo Technology werden lauthals mitgesungen.

Das Publikum kann sich kaum auf den Stühlen halten. Irgendwann meint er, „ich habe einen Song für mein Zukunfts-Ich geschrieben. Dann muss ich nicht immer vergangenen Zeiten nachtrauern, sondern singe quasi was von der Gegenwart“. Kurz zusammengefasst ging es um sein Zukunfts-Ich welches komplett alles falsch gemacht hat, zu viel getrunken, dann sein Talent für das Songwriting verloren hat, um sich schlussendlich mit der Band zu zerstreiten. Immer dabei, viel Selbstironie und ein Publikum das mitmachte und lachte. Kurz vor 20.30 Uhr verliess ich The Alex, um mich Richtung Zeltbühne zu machen.

James Bay – besser als in Montreux?

Denn dort heisst es nun James Bay unplugged zu erleben. Das letzte Mal in Montreux konnte er mich gar nicht überzeugen (was sicherlich auch an dem atemberaubenden 1. Act Tamino lag…)

Dieses Mal ist es anders. James Bay wirkt um einiges gefasster als in Montreux. Seine Songs dringen eher zur mir durch. Das er Talent hat ist kein Geheimnis. Das Publikum honoriert ihm seine Performance mit Standing Ovation zwischen den einzelnen Titel.

Obwohl er schon viele Tausend Shows gespielt hat und einige auch mit mehr Publikum, sind solche Unplugged Geschichten immer was ganz spezielles. Dort sei er auch eher nervös. Prompt vergisst er bei Let it Go sein Pedalboard zu drücken, was ihn gleich sympathischer wirken lässt. Kurz vor 22 Uhr schleichen wir uns aus dem Zelt um nochmals kurz eine Verstärkung vor meinem Highlight zu gönnen…

Zu viel des Guten…

Michael Kiwanuka, der Sänger mit Soul in seinem Herzen und Blues in der Stimme ist der Abschluss für den heutigen Abend im The Alex. Das Publikum im ausverkauften The Alex wirkt entspannt. Es wird viel geschwatzt und gelacht. Um 22.45 Uhr tritt der Moderator des Zermatt Unplugged’s auf die Bühne und bittet das Publikum während des Konzertes aus Respekt gegenüber des Künstlers ruhig zu sein und die Gespräche nach aussen zu verlagern.

Und dann kam er, meine Erwartungen schienen fast durch die Decke des Alex springen zu wollen. Michael Kiwanuka betritt die Bühne und beginnt gleich. Songs wie One More Night sorgen für ein Hochgefühl in der Bauchgegend.

Mein absolutes Lieblingslied spielt er verhältnismässig früh, Black Man In A White World. Insgesamt fühlte sich der Song falsch an, ich weiss nicht genau woran es lag. Jeder Song den er spielt sitzt, die Gitarrenwechsel verlaufen geschmeidig.

Bla, bla, bla, bla

Was jedoch am meisten in Erinnerung bleiben wird, ist genau das, was der Moderator zu Beginn erwähnt hat. Um mich herum wurde permanent gelacht und gesprochen. Es nervte einfach nur. Ich unterstelle mal, das die Leute in dem Bereich wo ich mich aufhalte, nichts für das Ticket bezahlt haben.

Insgesamt hat das auch auf meine Stimmung gedrückt. Gepaart mit meinen, vermutlich viel zu hohen, Erwartungen machte sich ein Hauch Enttäuschung breit. Um etwa 00.00 Uhr verliess ich das Konzert und verpasste die Zugaben. Was gewiss ist, ich will Michael Kiwanuka nochmals sehen, in einer anderen Umgebung.

Zermatt, du warst grossartig zu uns. Wir wurden extrem freundlich empfangen und fühlten uns wie im Europa Park beim Thema „Schweiz“ ;)