AnnenMayKantereit
© Martin Lamberty

Ein Zusammenspiel von musikalischer Schwere und leichter Unbeschwertheit

Am Samstagabend, 02. Februar 2019 spielten AnnenMayKantereit zusammen mit der Supportband Blond ein intimes Clubkonzert im Dachstock, Bern. Wie ihre erste Schweizer Show in diesem Jahr ablief und was es mit dem Teddybären in der Zuschauermenge auf sich hatte?

Nach längerer Verschnaufpause ist es heute soweit, AnnenMayKantereit haben die Reise in die schöne Schweizer Hauptstadt auf sich genommen, um gemeinsam mit ihren Fans zu feiern. Für die Band ist es nicht das erste Mal im (lange schon ausverkauften) Berner Dachstock bei der Reitschule, für mich hingegen schon. Über eineinhalb Jahre sind vergangen, seit die Kölner Jungs mit Songs wie Barfuss am Klavier oder Pocahontas unzählige Clubs und Konzertlocations füllten. Mit ihrem zweiten Album Schlagschatten mischen sie nun seit Dezember des letzten Jahres wieder kräftig mit.

Christopher Annen, Henning May und Severin Kantereit – diese drei Kölner stehen für die Gründung der Band AnnenMayKantereit vor acht Jahren. Ursprünglich lernten sie sich im Gymnasium kennen. Was anfangs als Strassenmusik begann, erhöhte rasant den Bekanntheitsgrad der Musiker und bescherte ihnen unzählige Auftritte vor immer grösserem Publikum.

Blond

Blond, das sind zwei Blondinen und ein blinder Multiinstrumentalist aus Chemnitz DE. Ihre Musik eine variationsreiche Mischung aus den Stilrichtungen Indie-Pop und Las Vegas Glamour. Was das genau ist? Hierzu gerne ein Ausschnitt aus dem folgenden Promo-Text der Band: „Blond, das ist der verbeulte Kaugummi-Automat, die misshandelte Barbie Puppe. Blond ist das Aufstossen nach dem Genuss eines grellfarbenen Energydrinks.“ Na, alles klar?

Die Schwestern der Kummer-Brüder von der Musikgruppe Kraftklub werden als DIE aufstrebenden Newcomer geahndet. Der Refrain ihres Songs Spinaci sei mir auf alle Fälle auch Tage danach noch als Ohrwurm verdankt:

Ich hab‘ die Fresse voll Spinat (voll Spinat)
Und du hast nichts gesagt (nichts gesagt)
Ich hab‘ die Fresse voll Spinat (voll Spinat)
Und du hast nichts gesagt

AnnenMayKantereit

Inzwischen ist es schon spät geworden, kurz nach 22 Uhr. Der Dachstock ist rappelvoll und die Sicht durch all den Zigarettenrauch schon ziemlich vernebelt (hust!). Der Bartresen ist gut besucht, angepriesene Drinks wie „Lavandula Sour“ oder „Pfeffi-Shot“ fliessen in Strömen. Wer sich noch nicht mit Merchandise der Bands oder der Location eingedeckt hat, sollte dies schleunigst noch tun.

Oh – das Warten hat ein Ende. Straightforward startet die Show mit dem Opener Marie des aktuellen Albums Schlagschatten. Ich bin überrascht vom lauten Mitgesang des Publikums, die Stimmung schiesst direkt von 0 auf 100 in die Höhe. Henning, der Sänger verzaubert wie gewohnt schon zu Beginn mit seiner einzigartig tiefen Stimme – ich könnte ihm wohl ewig zuhören…

Die Wortspiele in den jeweiligen Texten sind übrigens eine Genialität. Wie schon die alten Lieder, zeigen auch die neuen Schon krass, Weisse Wand oder Hinter klugen Sätzen das Spektrum von schwerwiegender Tiefgründigkeit und Melancholie. Als faszinierender Kontrast wiederum die toll tanzbaren Stücke Jenny Jenny, Freitagabend oder Nicht nichts. Ein Zusammenspiel von musikalischer Schwere und leichter Unbeschwertheit. Als persönliche Favoriten erkiese ich Barfuss am Klavier und Sieben Jahre – Letzteren mit epischem Synthie-Einsatz ab der vierten Minute des Songs.

Es sind nicht nur die musikalischen Klänge, die tief gehen. Es ist die gesamte Atmosphäre und die authentischen Emotionen der Musiker auf der Bühne. Die bekanntlich handyfreien Konzerte von AnnenMayKantereit tragen ihren Teil zur intimen Stimmung im Dachstock bei. Der Berner Konzertsaal passt – mal abgesehen von der Raucherzone – ebenfalls gut zur Band. An der Decke hängen neben der überdimensionalen Discokugel übrigens ganz viele wunderliche und skurrile Dinge. Beispielsweise findet sich direkt über uns ein Billardtisch, an den Holzbalken sind Masken aus der grossen weiten Welt befestigt und rechts oben vor der Bühne schaut ein Teddybär dem Geschehen zu.

Leider müssen wir aufgrund der Zugverbindungen nach Zürich das Konzert etwas früher verlassen – dies trotz blutendem Herzen aufgrund des noch nicht gehörten Songs Pocahontas.

Nichtsdestotrotz hinterlassen die Melodien und Texte eine melancholische Stimmung, die Platz für tiefgründige Gedanken und Gespräche lassen. Ein Zustand, der eine Musikergruppe erst einmal bei den Zuschauern erreichen muss – alles richtig gemacht, AnnenMayKantereit!