bergmal festival 2017
© Kathrin Hirzel

Wale auf Entdeckungsreise

Am 28. Oktober 2017 fand im Zürcher Kulturhaus Dynamo die zweite Ausgabe des bergmal Festivals statt – es ist das eintägige Experimental- und Post-Rock-Festival in der Schweiz schlechthin. Weshalb sich das das Festival nicht nur für Post-Rock Fans gelohnt hat.

Endlich weiss ich, weshalb das Festival so heisst, dass ich schon seit den Sommermonaten sehnsüchtig erwartet habe. Bergmal – was kryptisch klingt, ist endlich klar. Das isländische Wort heisst übersetzt Echo und steht für die unendlichen Weiten, die Post-Rock übertragen und transzendieren kann, wie mir Daniela Bär und Jake Gutzwiller, Teil des OK Teams, erklären.

Nach dem letztes Jahr beim Line-Up mehr auf klassische Post-Rock Bands gesetzt wurde (mit einer Prise elektronischem Einschlag wie zB. Arms and Sleepers), wollten die bergmal Macher*innen dieses Jahr die komplette Bandbreite des Post-Rocks auskosten, inklusive experimentelleren Spielarten und Bands. Somit reichte das Line-Up 2017, so erklärten mir Daniela und Jake weiter, von poppigem Post-Rock mit Vocals bis hin zu harten Metalbands.

Post-Metal, Devil Horns und sehenswerte Visuals

Metal ist auch das Erste was mir bei meiner Ankunft akustisch entgegenschlägt. Auf der Roof Stage zuoberst stimme ich mich mit The Ocean (auch The Ocean Collective gennant) aufs Festival ein – eine Post-Metal Band mit Base in La-Chaux-de-Fonds. Ein Bildschirm anstelle eines Backdrops, zeigt im Loop einen schwarzweissen Frauenkopf, der sich immer wieder am Hals teilt und neue Köpfe aus dem alten entstehen lässt – Visuals in bester Post-Rock Manier, aus Liebe zum Detail. Verstörend und ästhetisch zugleich.

Scream-Gesang, dann wieder ein virtuoses Klavierspiel als Ausklang. Die progressive Spielweise kommt klar hervor. Obwohl ich ansonsten kein Fan bin von Progressive Metal, macht es mir bei The Ocean nichts aus. Fast kann man sagen, das The Ocean teilweise mehr Elemente des Metalcore, wie des Post-Rocks/Metals aufgreift. Spätestens als der Sänger auffordert „I wanna see your horns“ und die Hände (kleiner Finger und Zeigefinger aufgestellt) in die Höhe schnellen, ist alles klar. Nach seiner Ansage geniesst der Sänger spontan ein Bad im Publikum, während er lässig weitersingt. Zurück auf der Bühne, gleitet auf dem Bildschirm ein riesiger Roche graziös durch den dunklen Ozean.

Nur noch zwei Grande Finale für mich

Danach gehts vier Stockwerke hinunter bis zur Cellar Stage. Auf meinem persönlichen Konzertplan steht Rue des Cascades, ebenfalls eine Schweizer Band. Ich erlebe leider nur noch das Grande Finale: Klangmauern, die einreissen, einbrechen, das Publikum, das auf den erlösenden Schluss wartet. Es ist eine Vollblut Performance, die Musiker geben alles. Soviel, das es einem fast ein wenig unbehaglich wird in diesem engen und knallvollen Keller. Immer lauter,  schneller, die Körper wippen schwerfällig mit und die Rastas des Drummers fliegen auf alle Seiten. Endlich entlädt sich die Spannung in einem Höhepunkt und erntet wohlverdienten Beifall.

Danach wieder hoch zur Experimentalstage zu Maïak, bei denen ich ebenfalls nur noch das Schlussbouquet höre, und sofort bereue, dass ich nicht früher reingehört habe. Aber so ist das bei Festivals, man muss Prioritäten setzen. Die Lausanner haben für das bergmal das erste Mal den Röstigraben überschritten und spielten ihr erstes Konzert ausserhalb der Romandie. Zum Glück! Definitiv werde ich da nochmals reinhören. Denn das soll das Festival ja sein, laut Veranstalter: Ein Festival zum Entdecken. Das ist es definitiv.

Die einsame Landstrasse bei Nacht musikalisch umgesetzt

Die nächste Band musste ich dafür nicht entdecken. Pg lost sind mir schon seit ein paar Jahren ein Begriff (YouTube Glücksgriffe). Ihr Konzert eröffnen sie gleich mit meinem Lieblingssong Crystalline. Ein Song, der sich langsam aufbaut und mit jeder Minute ein wenig mehr an Kraft gewinnt, ähnlich wie eine Lawine oder ein Fluss, der an seinem Ursprung noch ein kleines Bächlein ist, aber auf seiner Strecke immer mehr an Material, Geröll und Wasser dazu nimmt, bis er zu einem tosenden Fluss wird, um sich irgendwann wieder dem Meer hinzugeben.

Beim zweiten Song Off the Beaten Path (ich wusste den Titel während dem Konzert noch nicht, Setlist sei Dank), notiere ich mir folgendes „der perfekte Soundtrack, um nachts um 2 Uhr auf einer einsamen verlassenen Landstrasse durch die Dunkelheit zu fahren und alles hinter sich zu lassen – nur die Strasse, das Auto und die Sternennacht“. Wie spannend, dass sich meine Beschreibung des Songs und der Titel perfekt ergänzen.

Einziger Minuspunkt für die Show geht nicht an die Band, sondern an das Publikum. Es herrscht während des Konzertes eine ununterbrochene Geräuschkulisse an Gesprächen aus allen Richtungen. Die schwedischen Musiker scheint es nicht zu stören. Sie sind in sich versunken und trotzdem genau aufeinander abgestimmt. Der sphärische Gesang klingt ein wenig wie wenn Sigur Ros und Leech zusammen gemixt würden.

Die nächste Band ist ebenfalls nicht mehr von mir zu entdecken. Man könnte sie schon faste alte Bekannte von YouTube nennen: sleepmakeswaves. Die australische Band ist gerade auf Europatour und hat für das bergmal gerne in Zürich Halt gemacht. Sie erklären pragmatisch „the more energy you give to us, the more we give to you.“ Quid pro quo. Das Publikum versteht.

Danke und bis bergmal wieder

Das bergmal war einmal mehr ein gelungenes Festival und sehr friedlich. Die Details, die im Postrock wichtig sind, wurden auch von den Veranstalter*innen umgesetzt. Das war ihnen wichtig, wie mir Daniela Bär erklärt hat. Somit gab es für das Merchandise sogar einen eigenen Raum, der liebevoll und mit einer Auswahl ausgestattet war, der Post-Rock-Herzen höher schlagen liess. Vielen Dank für den kurzweiligen Abend und die gehörige Portion Post-Rock, die live eben doch viel mehr einfährt wie allein Zuhause.