Hans Zimmer
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Vom Unruhestifter zum Filmmusik Gott

Er sei unter anderem auch in Zürich von der Schule geflogen, gibt der gefeierte Filmkomponist gleich ziemlich am Anfang seines Konzertes in Zürich preis.  Dies tut seinem Schaffen aber keinen Abbruch, eher im Gegenteil. Der bescheidene Deutsche war zusammen mit seiner Band am Montagabend  im Hallenstadion zu Gast und gab seine Hymnen zum Besten.

Bereits bei der Anreise war ich überrascht vom Grossandrang in Oerlikon, dachte ich doch, dass beim Namen Hans Zimmer nicht bei jedem die Glocken läuten, nebst dem das  für das Konzert auch kaum Werbung gemacht wurde, im Gegensatz zu anderen manchen Grossevents im Hallenstadion die bereits Wochen vorher auf allen Plakaten in und rund um die Stadt zu sehen sind. So überkam mich bereits ein starkes Gefühl der Verbundenheit, als ich mit hunderten anderen Anhängern des King of Movie Score vom Parkhaus aus Richtung Eingang pilgerte. Da ich bereits spät dran war, wurde ich ein wenig nervös, als ich sah, dass die Menschenmasse vor den Türen nicht nur aus Spass oder aus Nikotinsucht dort standen – der Einlass war noch immer abgeschlossen, obwohl in einer halben Stunde das Konzert beginnen sollte. Gleichermassen geladen mit Vorfreude und Unruhe über das baldige Beginnen des Konzertes reihte ich mich in die Schlange ein und liess die bekannte Prozedur über mich ergehen. Wobei ich erstaunt war, dass die Taschenkontrollen nicht mehr so streng wie auch schon durchgeführt wurden. Doch wer würde einem Hans Zimmer schon etwas zu Leide tun wollen, das wäre ja ein Schnitt ins eigene Fleisch, gilt er doch als Tröster vieler einsamer Seelen, wenn man die YouTube-Kommentare unter seinen Videos liest (um nur einer zu nennen, der mir seit jeher geblieben ist: „I don’t need therapy, THIS is my therapy“). Noch während ich am Warten war, versuchte ich ausserdem, den typischen Hans Zimmer-Fan auszumachen und die Fankultur zu analysieren, was natürlich gründlich misslang. Weder ein bestimmtes Alter, noch eine Häufung eines bestimmten Geschlechts fiel mir auf, auch keine bestimmte Subkultur war mehr vertreten, als eine andere. Das muss auch für Mister Zimmer sprechen, die Verbindung und vor allem Überwindung von Grenzen und das Sprechen zu Menschen unterschiedlichster Hintergründe und Herkunft muss einer erst mal schaffen!

Nach mehrmaligem Falschgehen und einem kurzen Toilettenbesuch, schafften wir es dann auch im letzten Moment noch auf unsere Plätze und noch während ich mich niederliess bereute ich, dass ich nicht, meinem geringen Studentenbudget zum Trotz, doch die teurere Ticketkategorie gebucht hatte. Unsere Plätze hatten eine riesige Distanz zur Bühne und es war ein Wunder, dass mich meine Höhenangst nicht heimsuchte, geschweige denn von meiner Platzangst. Das Hallenstadion war gut gefüllt, obwohl ich einen Tag zuvor online gecheckt hatte, dass es noch nicht ausverkauft war (das musste sich innerhalb eines Tages noch geändert haben, oder dann es gab viele Kurzentschlossene, die  spontan doch noch die Verbindung zwischen Batman und Hans Zimmer gezogen hatten). Dann dachte ich nicht mehr viel, denn das Konzert begann bereits und ich war gespannt, wohin mich meine Emotionen diesen Abend überall tragen würden. „Driving Miss Daisy“ war dann ein unerwarteter, aber doch sehr passender und leichter Einstieg, der Lust auf mehr machte. Auch wer den Film nicht gesehen hatte (ist ja auch schon etwas älter mit Jahrgang 1989), konnte etwas damit anfangen und sich auf mehr freuen. Gespannt wartete man darauf, was als nächstes folgen würde, bei der unzählbaren Auswahl an Filmen, bei denen Hans Zimmer seine Finger im Spiel hatte, fast unmöglich, vorauszusehen. Ausser natürlich ein paar der sicheren Werte, seine Klassiker, die sicher kommen würden: Lion King, Fluch der Karibik, Inception… Kurz ertappte ich mich dabei, wie ich der Mehrheit der Leute unterstellte, sie wären sowieso nur wegen einem Track hier („Time“ von Inception), den sie hören möchten und ansonsten hätten sie keine Ahnung von meinem geliebten Hans. Schnell verschwand aber dieser Gedanke wieder, da ich hauptsächlich froh war, das mein Traum nach zehn Jahren endlich in Erfüllung gegangen ist und ich nun auch live zu seinen epischen Klängen weinen und meinen Gefühlen freien Lauf lassen kann (ist ja zum Glück dunkel).

Nach den ersten Liedern begrüsste der Entertainer, der eigentlich keiner sein will sein Publikum auf Deutsch und entschuldigte sich bereits dafür, dass ihm vermutlich die Worte nicht immer auf Deutsch, (immerhin seine Muttersprache!) in den Sinn kommen würden. Ausserdem würde seine Band kein Wort Deutsch verstehen und er könne eigentlich erzählen, was er will. Mit seiner sympathischen, bodenständigen Art hat mich Hans Zimmer immer wieder überrascht und Pluspunkte geholt. Seine Anekdoten aus seinem Arbeitsalltag und die lustigen Erlebnisse mit seiner Familie gibt er immer gerne Preis, doch nie wirkt es aufgesetzt, nie, als müsste er uns etwas beweisen oder zeigen, wie bodenständig er doch geblieben ist,  denn in meinen Augen ist er es. Als einer der einflussreichsten und bekanntesten Filmkomponisten gehandelt zu werden ist nicht Nichts und viele Filme wären nur halb so gut, hätte ihnen Hans Zimmer nicht noch das gewisse Etwas verliehen, dass sie zu epischen Meisterwerken macht (kann jeder an den Film denken, den er will, es ist für jeden etwas dabei: Madagascar, Batman, Fluch der Karibik, Rain Man, Gladiator, sogar The Simpsons Movie stammt aus Zimmers Feder…).

Auch bei der Zusammenstellung seiner MusikerInnen machte er alles richtig, raunte mir mein Freund doch während des Konzertes zu, dass er mehrheitlich Frauen in seiner Band beschäftigte (dies muss ich selbst noch überprüfen, kann ich mir aber sofort vorstellen). In einem von Männern dominierten Business kann es nicht schaden, auch Frauen einen Platz einzuräumen, vor allem wenn sie so schön Violine spielen, wie jene, die mich am Montagabend, 9. Mai 2016, zu Tränen rührten. Da die Songauswahl auch Hans Zimmer nicht leicht gefallen zu sein scheint, spielte er die unterschiedlichen Titelmelodien der Filme in einem Paket, um jedem Zuhörer, jeder Zuhörerin die Chance zu geben, ihre Lieblingsmelodie zu erkennen. Die unterschiedlichen Medleys waren unglaublich stark gespielt und ich dachte mehr als einmal, dass ein Stuhl gar nicht nötig gewesen wäre, da ich mich immer wieder dabei ertappte, wie ich mich zur Musik mitbewegte und durch die Stühle nur eingeschränkt war.

Nach einem fulminanten Stück (ich glaube es war „Chevaliers de Sangreal“ von Angels&Demons) wurde ich dann auch das erste Mal von meinen Emotionen überwältigt und war total perplex, als das Licht anging und die Pausenansprache ertönte. Damit hätte ich nicht gerechnet. Wie sollen all diese Leute in 20 Minuten raus und wieder rein auf ihren Plätzen sitzen, geschweige denn von Toilettengang und Biernachschub? Ich weiss, das ist nicht mein Problem und zum Glück machte ich mir unbegründet Sorgen, denn das Konzert konnte ziemlich pünktlich fortgesetzt werden. Dieses Mal mit einer riesigen Leinwand welche die Melodien mit Visuals untermalten und der Show noch mehr Extravaganz verliehen (für meinen Geschmack war das gar nicht nötig, da es nur von der Musik ablenkte, doch ich nehme an, dem Grossteil des Publikums scheint es gefallen zu haben). Auch den zweiten Teil der Show meisterten die MusikerInnen souverän und nur selten hatte mein Musikergehör das Gefühl, einen falschen Ton gehört zu haben. Auch Hans Zimmer war Teil der Band und nicht nur als Dirigent tätig. Er überzeugte in jeder Hinsicht. Ob an der Gitarre, am Klavier oder als Ansager zwischen den einzelnen Stücken. Es war ein kurzweiliger und musiktechnisch gewaltiger Abend. Das Einzige, was man meiner Ansicht nach bemängeln könnte, wären die Lichtprojektionen im zweiten Teil, denn ein guter Musiker, eine gute Musikerin hat keine Ablenkung nötig. Der Show zu liebe war es aber sicher eine gute Ergänzung.

Trotzdem hatte ich für meinen Teil vor allem nach der Pause die Augen mehrheitlich geschlossen, um nicht  von den blinkenden Lichtern abgelenkt zu werden. Während dem Lauschen der Musik stakste dann vor meinen Augen auch plötzlich mal Jack Sparrow über den Sand der Karibik und  ich sah die Glaspyramide vor dem Louvre in ihrer ganzen Pracht. Auch Russel Crowe tauchte vor meinen Augen auf als (damals noch) gut gebauter Gladiator, der keinen Kampf scheut. Danach zogen die imposanten Sternenwelten von Interstellar und der weinende McConaughey an meinem inneren Auge vorbei, bevor Hans Zimmer dann, wie erwartet, mit dem Inception Finale abschloss, das keine Wünsche mehr offen liess. Hans, spätestens jetzt weiss ich definitiv, was du gemeint hast, als du gesagt hast, Worte seien nicht deine Sprache, sondern die Musik.

Wer nochmals nachhören möchte, hier die Setlist der Europatour (leider nicht von Zürich): http://www.setlist.fm/setlist/hans-zimmer/2016/barclaycard-arena-birmingham-england-53f18be5.html