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Vom Geheimtipp zum gefüllten Plaza

Schon vor vier Jahren verliebte ich mich sofort in die Stimme von Sivert Høyem, die von einem Lautsprecher eines Berliner Musikgeschäfts zu hören war, während ich abgelenkt durch den melancholischen Klang, gedankenverloren durch die weiteren Tonträger stöberte. Wieder zuhause klickte ich mich stundenlang durch YouTube, um die Songs von Madrugada zu verinnerlichen, dessen Frontmann er war, bis sich die Band vor acht Jahren auflöste.

Deprimiert und wehmütig, dass nie mehr neues Material entstehen würde, war ich umso erfreuter über die Tatsache, dass der charismatische Norweger auch solo weiterproduzierte (alles andere wäre auch eine totale Talentverschwendung gewesen). Es vergingen weitere zwei Jahre, die ich mit dem wiederkehrenden Gedanken verbrachte, wie schön es wäre, diese Stimme einmal live hören zu können. Vor einigen Monaten wurde mein Gebet erhört, ich bekam aus dem Nichts eine Nachricht einer Freundin – ein Foto eines Zeitungsauschnittes, Datum, Ort und sein Name, mit ihrem Kommentar: „gehen wir?“. Natürlich sind wir gegangen. Am 19. März 2016 war es endlich so weit. Während ich noch im unteren Stock des Plaza herumirrte, hörte ich bereits die unverkennbare Stimme und erschrak. Schnell eilte ich die Treppe hinauf und wir schafften es gerade noch rechtzeitig für den Auftakt, wenn wir auch nur noch ganz hinten einen Platz fanden. Das Plaza war bis zu den Ausgängen voll. Verständlicherweise. Trotzdem war ich überrascht, denn ich war überzeugt, dass er trotz allem noch immer als Geheimtipp galt. Schliesslich hat nie jemand etwas mit dem seltsamen Wort Madrugada anfangen können, wenn ich das mal in die Runde warf, geschweige von seinem Namen, den ich jetzt noch nicht richtig aussprechen kann. Hauptsache aber, ich habe Kenntnis davon und mir früh genug ein Ticket ergattern können.

Bereits das erste Lied aber sprühte vor Energie und ab den ersten Tönen hatte er das Publikum in seinen Bann gezogen. Auch ich konnte mich nicht entziehen und war froh, dass ich nach den letzten musikalischen Investitionen wieder einmal etwas für mein Geld geboten bekam. Ohne viele Worte zu verlieren spielten er mit seiner Band alte Hits wie auch das neue Album, in einem guten Verhältnis und in einer Qualität, die ich noch selten bei einem Live-Auftritt gehört habe. Die Stimme war identisch mit der Stimme auf den Aufnahmen, nur noch viel besser. Kein falscher Ton war dabei, obwohl er sich nebst der stimmlichen Leistung auch noch auf das Gitarrenspiel konzentrieren musste. Keine Männer der grossen Worte, spielten sie zwei Stunden lang und begeisterten.

Natürlich durfte auch der grosse Madrugada-Hit Majesty nicht fehlen, der überraschenderweise nicht an den Schluss gesetzt wurde. Die Setlist war gut zusammengestellt, durch die Auswahl unterschiedlichster Songs konnte er seine ganze stimmliche Vielfalt optimal zur Geltung bringen. Von langsam, schleppend, leidend und anklagend bis leicht, hoffnungsvoll und euphorisch waren alle Stimmungen durch sein Stimmorgan vertreten. Auch ich machte ein Gefühlsbad erster Klasse durch, da ich mit vielen Songs persönliche Erinnerungen oder Emotionen verband, durch das jahrelange Rauf und Runter hören. Auch einem guten Freund aus Südafrika wollte ich ein wenig von meinem Konzerterlebnis schenken, da es ihm die melancholische Stimme des Norwegers auch angetan hatte, nachdem ich ihm einmal einen YouTube-Link zukommen liess. So nahm ich sein Lieblingslied auf und schickte es ihm. Unser darauffolgenderWhats-App-Austausch sagte mehr, als das beste Review es könnte. Ich: Amazing. Sounds like on record. Er: Now you’re just showing off :) Ich: Someone jealous? Er: I’m not jealous. We just can’t be friends anymore. And i hate you.