Am 06. März 2018 mischte die Norwegerin Sol Heilo mit ihrer Band das Werk 21 in Zürich auf und zeigte sich dabei von einer unerwartet persönlichen Seite.
Ein wenig irritiert war ich schon, als ich hörte, dass das Konzert vom Mascotte ins Dynamo verschoben wurde. Und irgendwie tat sie mir auch Leid. Gab es doch nur einen wahrscheinlichen Grund dafür: Sie hatte im Vorverkauf zu wenig Tickets verkauft. Als wir im Dynamo ankamen, dann die traurige Gewissheit. Es haben sich sehr wenig Leute im Keller eingefunden, dafür umso mehr für das KIZ Konzert, das im oberen Saal stattfand. Als wir dann (nach Türöffnung!) auch noch zwei Stunden warten mussten, bis die Hauptperson die Bühne betrat, war ich nicht mehr so guter Dinge. Jetzt muss sie mich aber überzeugen, dachte ich müde, sonst ist das ein Reinfall.
Aus der Arbeitslosigkeit in die Solokarriere
Und dann kam sie. Das Energiebündel Sol Heilo – mit langem blondem Haar, die Trommel vor dem Bauch und in der Hand eine regenschirmartige Rassel, die sie kraftvoll zum Rhythmus auf den Boden stiess (zum Opener Killing Karma). „Hello Zurich!“, begrüsste sie das – inzwischen immerhin etwas vollere – Kellerlokal nach zwei Songs. Und dann erklärte sie gleich traurig, dass sie ihren Job verloren habe. Die norwegische Sängerin war Teil der Folk-Rock Band Katzenjammer, die sich nun anscheinend aufgelöst oder zumindest eine Pause eingelegt haben. Sie aber konnte nicht aufhören, Musik zu machen und auf der Bühne zu stehen, so entschied sie sich, solo weiterzumachen. Die Songs, die auf ihrem ersten Solo-Album Skinhorse Playground erscheinen, hatte sie geschrieben, als sie noch mit Katzenjammer auf Tour war.
40 statt 4’000?
Sol schien es nicht zu stören, dass nur wenige Leute an diesem Dienstagabend den Weg ins Dynamo fanden, im Gegenteil: Sie erzählt, dass sie normalerweise (das heisst mit Katzenjammer) an einem solchen Abend vor 4’000 Leuten spielen würde. Dadurch könnte sie den Leuten jedoch gar nicht mehr in die Augen sehen und eine Verbindung aufbauen. Da kam sie im Werk 21 wirklich auf ihre Kosten. Wer es kennt, weiss, dass es keine Bühnengräben, Absperrungen oder künstliche Grenzen gibt zwischen ZuschauerInnen und Publikum. Trotzdem löste sie sogar diese auf: In einem vorhergehenden Social Media Aufruf „Play with Sol“ suchte sie Leute, die mit ihr für einen Song auf die Bühne kommen, um gemeinsam zu spielen. Dieser Auftritt erhöhte die Temperatur im Dynamo-Keller nochmals und brach die letzten Mauern auf.
Komponistin mit Tiefgang
Nach diesem Stimmungsmacher wurde sie ernst und leitete den Song London Is Trouble mit folgenden Worten ein: „Life is not always party, it is also the darker side“, in dem es um das anstrengende Tourleben geht und die Einsamkeit, die es mit sich zieht. Sol Heilo’s funkelnde Augen und ihre starke Ausstrahlung überzeugten mich, vom musikalischen gar nicht zu reden: Die sechsunddreissig jährige Norwegerin spielte alleine an diesem Abend Banjo, Ukulele, Trompete, Gitarre (und sicher noch mehr, was ich vergessen habe oder nicht benennen kann) und setzte sich für die letzten zwei Songs sogar noch ans Schlagzeug. Spätestens da (natürlich schon vorher) hatte sie mich vollends auf ihrer Seite: Die Vollblut-Musikerin, Komponistin und Songwriterin kann was. Hoffen wir fürs nächste Mal, dass es bis dahin noch mehr Leute wissen und für Sol, dass es nicht zu viele sind, damit es doch so überschaubar bleibt, damit sie uns wieder in die Augen schauen kann.