Der wohl geheimnisvollste und begehrteste Job in der Musikbranche. Der Talentscout und das Bindeglied zwischen Künstler und Label – der A&R Manager. Ich habe mich mit Simon den Otter getroffen, ehemaliger A&R Manager von Universal Music Schweiz und Gründer von hertzhaft.
Wie bist du in die Musikbranche gerutscht?
Eigentlich hätte ich schon immer im Musikbereich gearbeitet, Musik war schon immer meine grosse Passion. Ich konnte mir aber sehr lange gar nicht vorstellen, wie das möglich sein sollte und habe es vorher nie ernsthaft in Erwägung gezogen. Es war quasi ein Traum, an den ich mich erst sehr viel später erinnern konnte. Ein seltsames Bild, aber trifft es eigentlich nicht schlecht.
Warum?
Meine Laufbahn sah anfänglich überhaupt nicht nach so etwas wie einer Bürokarriere aus. Nach dem abgebrochenen Gymnasium habe ich eine Lehre als Kaminfeger gemacht und mich danach mit diversen Jobs über Wasser gehalten. Unter anderem als Müllmann, was ja so weit weg vom Showbusiness ist, wie es nur irgendwie geht (lacht). Es war eine sehr bewegte Zeit, wie man so schön sagt. Ich wusste zu allem auch überhaupt nicht, wie man überhaupt an eine Stelle in der Musikbranche herankommen könnte.
Wie bist du schlussendlich doch noch dazu gekommen?
Ich habe durch einen grossen Zufall erfahren, dass Unviersal jemanden suchte. Das war Anfangs 2009, als ich gerade mitten in meiner Handelsausbildung war. Ich habe mich dann auf die Praktikumsstelle im Marketing beworben und durfte mich tatsächlich vorstellen. Offenbar gefiel meine Art dem damaligen Chef wie auch den Kollegen und ich durfte es versuchen. An meinem Lebenslauf konnte es jedenfalls nicht gelegen haben (lacht).
Wie ging es danach weiter, als du dein Praktikum hattest?
Ich war ein Jahr lang Praktikant. Da es in dieser, für das Business sehr unsicheren Zeit, praktisch nie neue Stellen gab, waren die Chancen auf eine Festanstellung sehr gering. Doch wie es der Zufall wollte, ging eine Arbeitskollegin des International Teams auf Weltreise. Ich habe dadurch die Chance bekommen, als Product & Promotion Manager anzufangen und habe sie genutzt.
Was hast du genau als International Product & Promotion Manager gemacht?
Vereinfacht gesagt, war ich für einen Teil der Internationalen Releases verantwortlich. Genauer gesagt, für einen Grossteil der Deutschen und Amerikanischen Künstler, sowie einige Franzosen und Schweizer, welche im Ausland unter Vertrag standen. Dazu gehörte das „erhältlich machen“ der Releases in allen Stores und deren Vermarktung. Dann versuchte ich mein Bestes, dass die Singles der Projekte in den Radios gespielt werden, koordinierte die internen Abläufe mit den anderen Abteilungen und organisierte Promotage, an denen ich die Künstler dann auch begleitete.
Wie wird man ein A&R Manager?
Allgemein würde sagen, dass es neben einer Begeisterung für möglichst viele Arten von Musik auch enorm viele „menschliche Skills“ braucht. Man hat mit den verschiedensten Arten von Menschen zu tun und gleichzeitig haben Stellen im A&R-Bereich wohl gewisse Ähnlichkeit mit dem eines Fussballtrainers: Es gibt immer zig Leute, die genau wissen, wie sie es besser machen würden und direkt in das Spiel eingreifen kann man auch nicht. Man kann – wie immer in dieser Branche – theoretisch alles richtig machen, und trotzdem verlieren (lacht).
Nebst der Begeisterung für die Arbeit an sich, ist natürlich ein Gespür für die Verwertbarkeit von Musik und die Trends unter den Musikhörern auch extrem wichtig. Gleichzeitig sollte man auch hinter jedem der Projekte felsenfest stehen können, egal auf wieviel Gegenwind man stösst. Denn auch wenn es sich nie zu 100% voraussagen lässt, welche Projekte Erfolg haben werden, gibt es nichts schlimmeres, als wenn der A&R Manager des Labels selbst schon am möglichen Erfolg zweifelt.
Was war der grösste Unterschied zwischen deiner Tätigkeit als A&R Manager und der des Intl. PM?
Beim PM, insbesondere bei internationalen Projekten, gehst du automatisch etwas distanzierter an die Sache, da die Künstler in der Regel nicht zu dir ins Büro kommen oder dich direkt anrufen. Natürlich gibt man auch dort sein Bestes und man leidet mit, doch es ist zwangsläufig auf einer anderen Ebene.
Was für Aufgaben hat ein A&R Manager genau?
Grundsätzlich begleitet ein A&R Manager die Künstler von der Albumidee bis hin zum fertigen Produkt. Er ist davor verantwortlich für das Scouten von neuen Talenten und der Kontaktaufnahme, für die Vertragsverhandlungen und während des kompletten Projekts bleibt er die erste Ansprechperson.
Weitere Bereiche, wie zum Beispiel das budgetieren der Releases, das festlegen einer Grundstrategie für Promotion / Marketing und die Koordination mit den anderen Mitwirkenden kommen auch dazu.
Wo findet man neue Talente?
Wenn ich das nur wüsste (lacht)! Ernsthaft. Inzwischen sucht man sie sehr oft in den Sozialen Medien und den Blogs, zumindest ging es mir so. Sehr oft natürlich auch an Konzerten oder durch Empfehlungen Dritter. Immer seltener durch herkömmlich eingesandte Demotapes, wobei man da wiederum schneller in diese Einsendungen reinhört, von welchen man schon irgendwo mal etwas gelesen oder gehört hat.
Was gefiel dir am besten an dem Beruf?
Mit Musik arbeiten zu dürfen war und ist ein riesengrosses Privileg, vor allem für jemanden mit meinen untypischen Werdegang. Mit kreativen Menschen arbeiten, sie versuchen weiter zu bringen und durch die Höhen und Tiefen begleiten können, ist sehr befriedigend. Natürlich denkt man im Nachhinein stets lieber an die guten Situationen zurück, die einem für die auch mal sehr frustrierende Momente mehr als entschädigen. Wie wenn Manillio das erste Mal vor dreizehntausend Leuten im Hallenstadion auftritt, kriegt man schon Gänsehaut.
Gibt es etwas das scheisse ist?
Ganz offen gesagt, kann einen der Job ziemlich fertig machen, wenn man nicht aufpasst. Das können andere Jobs genauso, wenn auch auf eine andere Art. Der Punkt ist oder war es zumindest bei mir, dass sich viele verschiedene Anspruchsgruppen in einem kleinen Bereich befinden, wenn es um das A&R geht. Bei uns zuhause hängt eine Tafel mit dem Spruch „You can’t make everyone happy. You’re not pizza.“ – das trifft’s recht gut (lacht).
Wie viel Zeit verbrachtest du mit Demos anhören?
Phu, das war sehr unterschiedlich. Teilweise kommen echt viele rein, teilweise weniger. Und meistens hat man dann keine Zeit, wenn man umso mehr davon aufwenden müsste. Ich habe jedoch immer versucht (und es grösstenteils auch geschafft), auf jede ernsthafte Einsendung zu reagieren. Sei es auch nur ein standardisiertes Schreiben – denn irgendjemand hat sich die Mühe gemacht, etwas aufzunehmen und einzuschicken. Dann gehört es zum guten Ton, wenigstens eine Rückmeldung zu geben.
Gibt es eine bestimmte Situation, die besonders lustig ist, an die du dich noch erinnerst?
Da könnte ich dir einige ziemlich lustige Sachen aufzählen, darf jedoch leider nicht konkret werden, wenn es um die Künstler geht. Oftmals sind es die im ersten Moment katastrophalen Stories, die einem im Nachhinein am längsten zum Lachen bringen. Auch im Büro gab es unzählige Male, bei denen ich Tränen gelacht habe. Ich denke, in der Musikbranche gibt es viel Platz für solche Sachen – das muss auch sein, denn es wird einem auch einiges an Belastbarkeit abverlangt.
Du arbeitest nicht mehr als A&R-Manager. Wo hat es dich hingetrieben?
Nein, seit vergangenem Dezember nicht mehr. Ich habe mit der Zeit gemerkt, dass mein Platz noch näher bei den Künstlern und ihren Projekten ist. Deshalb bin ich nun dabei, mit hertzhaft meine eigene, kleine Management- und Promotionsagentur zu gründen. Mit Universal bin ich übrigens immer noch sehr stark und auch freundschaftlich verbunden, was ich enorm schätze.
Zu guter Letzt – es gibt bestimmt den einen oder anderen Leser der genau diesen Traum hegt, wie du damals. Was würdest du diesen raten?
Tu’s nicht (lacht)!