Placebo
© Nadine Meier

Neue Chance für alte Hasen

Zusammen mit ihren Fans feierte die die Alternative-Rock Band Placebo ihren 20. Geburtstag im Hallenstadion – und heilte dabei alte Wunden.

Am Mittwochabend, 16. November 2016, machte Placebo gut, was sie vor drei Jahren angerichtet hatte: Die Alternative-Rock Band feierte ihr 20-jähriges Jubiläum im Hallenstadion. Anzugträger, Mittelalterliche und Hipster fanden sich zum Happening zusammen. Unter den geladenen Gästen war auch ich – obwohl ich Placebo 2013 nach einem enttäuschenden Konzert im Hallenstadion bereits abgeschrieben hatte.

Mich fragend, ob das noch die Placebo waren, die mich als Dreizehnjährige begeisterten (Sleeping With Ghosts), ging ich damals konsterniert mit einer Freundin aus der Halle und entschied mich, Placebo’s Karriere nicht mehr weiterzuverfolgen.

Umso überraschter war ich, als ich von der Geburtstagsparty erfuhr, bei dem die Band den 20. Geburtstag ihres platinveredelten Albums Placebo feiern will. Im Voraus kündigte Frontmann Brian jedenfalls vielverheissendes an:

„Wir werden Songs spielen, bei denen ich geschworen hatte, dass ich sie nie wieder spielen werde. Es ist an der Zeit, dass wir gezielt spielen, was viele Placebo-Fans wirklich hören wollen“

Brian hatte nicht zu viel versprochen. Am Mittwoch im Hallenstadion kamen sie alle: Pure Morning („A Friend In Need Is A Friend Indeed“), Special NeedsSoulmates, Twenty Years, Song to say Goodbye, This Picture, The Bitter End.

Die Liederauswahl folgte dabei einem besonderen Schema – durchschauen konnte man das allerdings erst am Schluss. Zuvor wies Brian seine Fans erst einmal zurecht. Den Zuschauern, die das Konzert durch die viereckigen kleinen Bildschirme verfolgten, hielt er eine Moralpredigt. Ein „Simulacrum of the moment“ würden sie erzeugen, ein Scheinbild des gegenwärtigen Augenblickes. Wenn sie es dann zuhause anschauen werden, hätten sie ein böses Erwachen.

„It will look like SHIT!“ schreit Brian theatralisch in die Runde. Klare Worte an die Fans, die zuerst verlegen lachten, um dann beschämt zu applaudieren. Doch es half alles nichts: Viele Fans liessen es sich nicht nehmen, munter weiterzufilmen.

Ich jedenfalls schämte mich, immer wieder einmal das Handy in die Hand zunehmen, um besonders ästhetische Momente einfangen zu können. Von diesen hatte es unfairerweise wahrlich viele. Zwei gigantische Leinwände links und rechts der Bühne, fünf kleinere Bildschirme unterhalb der Scheinwerfer und eine riesige Leinwand hinter der Bühne, zeigten abwechslungsweise die Bandmitglieder in schwarzweissen Nahaufnahmen, künstlerische Visuals oder die dazugehörigen Videoclips der Songs A Song To Say Goodbye (Bei Without You I’m Nothing ausserdem einige Aufnahmen von David Bowie – was spontaner Beifall auslöste).

Nach eineinhalb Stunden kam die überraschende Ansage von Brian: „We have reached the end of the melancholic section of the show. We have been melancholists for 20 years.“ Jetzt hiess es, die Melancholie auf die Seite zu schieben und ins Licht zu treten. Und dann in bestem und akzentfreiem Deutsch: „Das ist unsere Geburtstagsparty! Und was macht man am Geburtstag? Spass haben und Tanzen!“ Sagt er und beginnt mit dem Song For What It’s Worth und läutet damit das letzte Drittel der Show ein. Laut, hart, schnell und eben nicht mehr ganz so melancholisch, dafür mit umso mehr Power.

Mein Fazit? Nach der sehr enttäuschenden Loud Like Love Tour 2013 wurde der Placebo-Fan der ersten Stunde an diesem Mittwoch angemessen entschädigt.