© Pressebild

Oh Daughter!

Entgegen der Tradition an den Musikfestwochen wollte die Band nicht vom Moderator angesagt werden. Über die Gründe konnte das Publikum nur munkeln. Glücklicherweise bekam ich die Infos am 27. August 2016 von den Kulissen. Bisher seien sie nie angesagt worden,  meinte der Schlagzeuger von Daughter − an keinem ihrer inzwischen zahlreichen Konzerte. Man wolle deshalb nichts Neues beginnen. Das bringe Unglück. Mit zehn Minuten Verspätung kamen sie dann trotzdem auf die Bühne und begannen direkt zu spielen. Atmosphärisch, zum Träumen und auf leisen Sohlen spielte die Band um Songwriterin Elena Tonra einige Songs, bevor sich der Gitarrist zu einem “Danke“ durchrang. Da schon die erste Überraschung. Deutsch, nein sogar Schweizerdeutsch klang es von ihm. Haben wir uns verhört? Verwunderung und ein Raunen im Publikum. War Daughter nicht als eine Band aus England angekündigt? Nach ein paar weiteren Songs wurde das Geheimnis dann gelüftet. Igor, der Gitarrist, ist ein Schweizer. Ursprünglich aus Neuchâtel, machte er sich auf nach London, um am Institute Of Contemporary Music Performance zu studieren. Dort lernte er auch Elena kennen und lieben. Seine Grosseltern seien aber aus Winterthur, erklärt er in bestem Schweizerdeutsch mit leichtem welschen Akzent, was das ganze noch charmanter wirken liess. Deshalb sei dieses Konzert in Winterthur ein besonders spezielles für ihn. Für diese Äusserung bekam er spontan viel Applaus von der Steinberggasse. Dann spielten sie weiter. Die Klänge passten gut in die inzwischen dunkle und volle Steinberggasse. Von der es aussah, als würde Elena lediglich ins Mikrofon hauchen, während sie lässig gleichzeitig die passenden Basssaiten zupft. Trotz der flüchtig-atmosphärischen Stimmung  wirkte der Sound aber niemals lethargisch wie bei einer Lana del Rey.

Daughter hat dieses Jahr ihr zweites Studio Album Not to Disappear veröffentlicht, das noch ein wenig düsterer daherkommt als das Debütalbum If You Leave von 2013. Die Songs von Daughter sind unverwechselbar – vor allem wegen Elena’s Stimme. Der Indie Band wird eine grosse Karriere prophezeit. Das überrascht, da ihre Klänge auf das erste Hören nicht unbedingt mehrheitsfähig sind. Die Songkompositionen sind oft eigenwillig, die Lyrics anspruchsvoll, die Klangteppiche lassen einem in der Luft hängen, lassen einen manchmal mit einer unerklärlichen Melancholie zurück.

© Nadine Meier
© Nadine Meier

Youth, eines ihrer bekanntesten Stücke, spielen sie als zweitletzten Song. Der Song wirkt ein wenig wie ein Soundtrack für unsere Generation, kam mir spontan in den Sinn, wie ich dort so stand, unter all den anderen jungen Menschen, für die einen Moment die Zeit stehengeblieben zu sein scheint. Die Songzeilen „We are the reckless, we are the wild youth“ passten in dem Moment auf die Steibi. „This is so beautiful“ sagt Elena denn auch, während sie ihren Blick über die Gasse schweifen lässt. Die Rührung ist echt. Noch ein Pluspunkt für die bodenständige Band.

Fazit: Die Lieder klangen so gut wie auf der CD, nur noch ein wenig härter. Durch die ineinander laufenden Klangfarben und dem sanft eingesetzten elektrischen Touch wurde man langsam von einem Song zum nächsten gezogen und merkte manchmal gar nicht mehr, wann einer beginnt und einer aufhört. Der einzige Dämpfer war, dass mein persönlicher Favorit Landfill nicht auf der Setliste stand. Dank diesem Song hatte ich mich überhaupt vor zwei Jahren in Daughter verliebt.