Jeremy Loops
© Nina Salvador

Jeremy Loops, seine Loop Station und ein loopingreicher Abend

Neun Tage Musik und Kunst rund um das Luzerner Seebecken, da kommen über einhundertzwanzig Events zusammen. Vom 21. bis 29. Juli 2017 heisst es im kulturellen Zentrum der Zentralschweiz wieder Blue Balls Festival. Weshalb ich bei meinem ersten Besuch tatsächlich in einem völlig anderen Konzert landete?

Menschengedränge, Stereobeschallung, Marktstände, Fingerfood und Festivalpins. Für einmal im Sommer sind es nicht nur die Touristen vom asiatischen Kontinent, welche die Luzerner Seebucht bevölkern. Das Blue Balls Festival möchte ich in erster Linie für meine musikalische Horizonterweiterung und spannende Neuentdeckungen nutzen. Es bietet jungen, noch unbekannteren Künstlern verschiedene Plattformen für ihre Performances an. Zudem gibt es jeweils vor den Konzerten Einblicke hinter die Kulissen bei der Talkshow „Meet The Artists“. Auf meinem Programm war für diesen Montag der Künstler Jeremy Loops aus Südafrika im KKL Luzerner Saal fett angestrichen.

Wenn das nur die richtigen Plätze sind

Gut gelegen ist das Festival ja schon mal: Berge, See und der Hauptbahnhof gleich nebenan. Ich schlängelte mich also problemlos vorbei an gestrandeten Touris, Marktständen und vorbei an der kleinen Open Air Bühne für die Young Talents vor dem KKL, um meinen Konzertband zu erhalten. Soweit so gut. Ich wunderte mich zwar, dass ich in einen anderen Konzertsaal als vorgesehen verwiesen wurde, zweifelte die Info allerdings auch nicht an. Nun war es ungefähr 20.00 Uhr, es blieb also noch ein wenig Zeit. Nichtsdestotrotz machte ich mich bereits auf den Weg in Richtung Konzertraum und bekam sogleich einen Sitzplatz zugewiesen. Waren es gemäss meiner Recherche nicht Stehplätze? Der Saal dunkelte ein, die Künstlerin erschien auf der Bühne und mir fiel es wie Schuppen von den Augen – ich war am falschen Konzert!

Die epischen Klänge und die schwingenden Armbewegungen von Aurora hatten tatsächlich nichts Übereinstimmendes mit meinem geplanten Konzert heute – auch wenn die norwegische Singer-Songwriterin mit ihren 1,2 Millionen monatlichen Hörern bereits als nächster Pop-Star gehandelt wird. Uiuiui…wie komme ich da wohl nur unbemerkt wieder raus?

Nach weiteren zehn Minuten und erfolgreichem Rausschleichen aus dem Konzertsaal (oh je!), klärte ich zuerst einmal das Missverständnis und erhielt problemlos das korrekte Eintrittsband. Nun nochmals von vorne, dieses Mal aber am gewünschten Konzert. Es war inzwischen 20.30 Uhr und die englisch-baskische Vorband Crystal Fighters, der Ersatz vom ursprünglich geplanten Charlie Winston, stand in den Startlöchern.

Der schlafende Tontechniker

Hat der Tontechniker geschlafen? Gab die Musik ein Abbild des Schweizer Juli Wetters draussen? Was es auch war, aber es hörte sich leider anfangs nicht so kristallklar an wie der Bandname. Bei dem musikalischen Einheitsbrei wollte der Funke nicht so ganz überspringen und auch die wilden Kostüme, das Getrommel und die überdimensionierten Fahnen halfen da nicht weiter. Mit dem Übertitel „High Energy Party“ hatte der Festivaldirektor, Urs Leierer, bei seiner Ansprache vor dem Konzert gar nicht so unrecht – nur müsste man diese Energie anders einsetzen. Die World-Pop-Elektro Beats animierten dann aber doch einige des eher jungen Publikums zum Mittanzen und Mithüpfen. Andere Zuschauer verliessen einfach vorübergehend den Saal (ich inklusive) und stöberten als Plan B stattdessen lieber draussen im Nieselregen am Festival umher, wo u.a. Long Tall Jefferson eine Soloshow ablieferte. Trotzdem möchte ich an dieser Stelle den Veranstaltern ein Kränzchen winden, denn so eine Künstlerabsage ist immer eine mühsame Angelegenheit.

Der Anschein eines Backpackers

Deutlich erfreulicher dann der Auftritt von Jeremy Loops kurz nach 22 Uhr. Der Südafrikaner mit Schweizer Wurzeln betrat mit seiner Band freudestrahlend die Bühne. Mit Akustikgitarre, Mundharmonika und zusammengebunden Haaren erweckte er ein bisschen den Anschein eines Backpackers und auch seine Musik liess die Zuhörer an ferne Reisen, lange Sandstrände und die verflossene Ferienliebe denken – unbeschwert und leicht im Gepäck. Es war nach eigenen Worten seine letzte Show auf der Tournee nach insgesamt vier Kontinenten. Er freue sich bereits auf die kommende Freinacht in den Bars von Luzern. Mit Sinner, Trip Fox, Basil, oder Skinny Blues vom Album Trading Change (2016) hatte er das Publikum auf seiner Seite. Auch wenn die Show nicht eine der tiefsinnigeren war, so verbreiteten die folkigen Vibes und Beats dennoch super Laune. Meine Favoriten Higher Stakes und Down South durften natürlich auch nicht fehlen auf der Setlist.

Es waren meine persönlichen Schlusssongs, für die ich sogar den Sprint zur  letzten Zugverbindung um 23 Uhr in Kauf nahm. Man glaubt es kaum, aber Jeremy Loops schaffte es tatsächlich noch diesen Abend spektakulär zu machen. Oder wie man im Luzernerischen pflegt auszudrücken: „Rüüdig verreckt!“