© Baptiste Krützmann

Ein Abend mit Altbekannten, verliebten Paaren und der italienischen Familie

Ein Journalist des Tagesanzeigers beschrieb Faber (Julian Pollina) unlängst als „polarisierender junger Mann, der nicht nur mit Out-of-bed-Frisur, sondern gar mit Out-of-bed-Figur auf die Bühne huscht, um dort die Gemütslage nachdenklicher Jungstudenten in deutschsprachiges Rumpel-Liedgut zu packen“. Von dieser, doch sehr oberflächlichen Beschreibung, eines der grossen Nachwuchshoffnungen der Schweizer Musikszene, liess ich mich nicht beirren und machte mir selbst ein Bild des Zürchers. So zog es mich am 04. Mai 2016 in die Werkstatt, die neue Kulturbar in Chur.

Leute, wie schön ist dieses schmucke Lokal inmitten der Altstadt. Ohne viel Schickimicki oder Verschnörkelungen. Das Licht ist gedimmt, das Bier ist kalt, was fehlt ist jetzt nur noch taktvolle Musik. Und da huschen auch bereits zwei junge Männer auf die Bühne, die in der linken Ecke platziert wurde und die Künstler nur etwa dreissig Zentimeter grösser macht als das Publikum. Doch man konnte die Haarpracht der beiden erkennen; sie ist in der Tat etwas individuell. Ich fragte mich zwischendurch, ob Faber hinter seinem Haar-Vorhang überhaupt sehen konnte, dass das eher ältere Publikum auch mal mittanzte, ja sogar mitsang. Und schon bin ich in dieser oberflächlichen Story über Haare, die ich doch eigentlich vermeiden wollte. Deshalb zurück zur Musik.

Ein Raunen ging durch die Werkstatt als Faber seine Lippen an das silberne Mikrofon presste und eine tiefe rauchige Stimme das erste Lied anstimmte. Wie wunderbar klang diese Kombination aus Gesang, Gitarre, Bass Drum und Posaune. Faber wurde an diesem Abend nämlich vom Musiker Tillmann an der Posaune, Bass Drum und Schellenring begleitet. Eigentlich hätte es auch gereicht, nur dem Duett aus Gitarre und Posaune zuzuhören, so wunderbar harmonisch klang beides zusammen und passte perfekt zu diesem Ort und diesem Abend.

Das Publikum mutierte plötzlich zu Altbekannten, mit denen man gerade das verlängerte Wochenende einläutete; zur italienischen Familie, die feierlich auf die Trauung ihrer Cousine anstiessen oder zu Liebespaaren, die sich seit langem wieder einmal ein gemeinsames Essen im Restaurant gönnten. Immer begleitet von dieser Musik, die mal präsent, mal im Hintergrund war. Getreu nach dem Motto «Music feels better together» wusste man, ohne Musik, an einem anderen Ort, mit anderen Leuten (und anderer Frisur) wäre dieser Abend nie so gelungen.

Faber hat wirklich viel Potenzial für eine grosse Musikkarriere, zu einmalig ist seine Stimme, zu ehrlich seine Texte und zu individuell seine Frisur. Ich würde es Julian Pollina auch wirklich gönnen. Trotzdem wäre es doch schade, wenn solche Momente wie an diesem Mittwochabend der Vergangenheit angehören würden.