BOYTOY
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Destruktion und Harmonie im Helsinki

BOYTOY, vier Frauen aus Brooklyn, waren am 22. September 2018 zu Gast im Zürcher Helsinkiklub. Waren es ihre energetischen Songs, die den Sommer 2018 aus unseren Breitengraden endgültig vertrieben haben?

Etwa einen Monat ist es her, als der Song It’s Alright der amerikanischen Band BOYTOY in einer Spotify-Playlist auftauchte. Ob meine Aufmerksamkeit gerade in diesem Moment zufälligerweise etwas erhöht war? Jedenfalls hat die Mischung aus eingängigen Gitarrenriffs und mehrstimmigem Frauengesang gereicht, um mich neugierig zu machen, das Konzert der Band letzten Samstag im Helsinki in Zürich zu besuchen – und heute darüber zu schreiben.

Diese rohe, energetische Rockmusik, dennoch stets ein wenig um Harmonie bemüht, konnte ich mir im kleinen Schuppen an der Hardbrücke sehr gut vorstellen. So kam es dann auch: Nach zwei Takten war ich drin, und mit mir die Mehrheit des ziemlich gut gefüllten Musikclubs. Ihr letztes Konzert der diesjährigen Europatournee sei es, „bitter-sweet“. Mit einem lachenden und einem weinenden Auge machen sie sich also nächste Woche auf nach Australien, wo weitere Auftritte geplant sind. Ihrer Spielfreude tat es keinerlei Abbruch.

Mit Eier und Orangensaft an den Bass

BOYTOY sind im Kern die beiden Gitarristinnen und Sängerinnen Saara Untracht-Oakner und Glenn Michael Van Dyke. Am Schlagzeug sitzt seit geraumer Zeit Chase Noelle und die Tour-Dame am Bass heisst Sarah Palin (wirklich!). Letztere fand den Weg in die Band übrigens an einem Konzert in Biel: Sie hat nach dem Gig Eier gekocht und Orangensaft aufgetischt, und ist dann für einen Musikaustausch in die Staaten gefolgt. Nun spielt sie also Bass in einer Band, die lange ohne auskam. Ihr Spiel fügt sich nahtlos ein, flankiert von den beiden Gitarren, die sich in ihrer Funktion immer wieder abwechseln. Das simple, aber energie­geladene Schlagzeugspiel von Chase legt das Fundament unter die kurzen, eingängigen Songs. Man muss sagen: Der Sound ist gut, man hört die Instrumente ebenso schön raus wie die einzelnen Gesangsspuren, ohne dass der Druck fehlt.

Die Songs rollen dahin, Band und Publikum scheinen Spass zu haben und irgendwann wundert man sich vielleicht ein wenig, dass alle Stücke ziemlich genau gleich schnell sind. Die meisten scheint es nicht zu stören, aber als dann im bereits ziemlich weit fortgeschrittenen Konzert die ersten Töne der Ballade Cold Love erklingen, wird klar: Mehr davon wäre für die Dramaturgie nicht verkehrt. Cold Love, der Closer des neuen Albums Night Leaf ist übrigens nicht nur deutlich langsamer als der Rest der Songs, hier kommt das Flair für Gesangsharmonien auch besonders gut zur Geltung. Als der Song gegen Ende zunehmend im Cymbal-Gewitter und Gitarrenfeedback versinkt, ist der Höhepunkt des Konzerts erreicht.

Dennoch: Kernkompetenz von BOYTOY sind knackige Rocksongs und von diesen legen sie noch einige nach. Als das Publikum nach dem letzten Song noch nicht genug hat, setzen sie sich nochmals hin, zögern kurz und spielen eine Mischung aus Zugabe und Jam. Wohl nicht ganz so geplant, aber die Spontanität passte gut – zum Ort, zur Band und zur heiteren Stimmung an diesem Samstagabend.