Dean Lewis
© Natalie Steiger

Bei Dean Lewis wird gerne gefastet…

Manchmal lohnt es sich zu warten im Leben. Nach gut vier Jahren seines inoffiziellen ersten Releases, trat der Australische Singer-Songwriter Dean Lewis am 23. September 2018 erstmals in Zürich im Papiersaal auf. Hat sich die Fastenzeit gelohnt?

Seit der ersten Entdeckung, die 2014 unbeabsichtigt durch eine Nachricht in meinem Posteingang geschah, habe ich den jungen Sänger Dean Lewis beobachtet. Seine Zeit in London, sein Signing bei Universal Music, sein erster Hit mit Waves.

Ab 2016 dachte ich mir, jetzt müsste ihn mal jemand in die Schweiz holen – doch nichts passierte. Keine einzige Agentur buchte Dean Lewis für einen Auftritt. Das nächste Jahr brach an, er veröffentlichte mit Need You Now und Lose My Mind weitere Hits. Und wieder nichts!

Doch 2018 wurde das Schweizer Publikum erhört – sicherlich auch dank seinem aktuellen Song Be Alright, der mittlerweile überall gespielt wird.

Meine Erwartungen sind an diesem stürmischen Sonntag sehr hoch angesetzt. Eventuell fast zu hoch… Doch von vorne.

Wenn die Bühne zur Nebensache wird

Pünktlich um 20 Uhr betritt die ebenfalls australische Sängerin Elliott die Bühne. In einer geblümten Sommerjacke setzt sie sich ans Piano und singt sicher ins Mikrofon hinein. Dank meiner redegewandten Umgebung hörte ich sehr wenig. Ein Fluch? Ich weiss es nicht, es scheint mir jedoch beliebt zu sein in der Schweiz, während eines Konzerts ständig zu schwatzen.

Nach etwa fünfzehn Minuten verschiebe ich meinen Standort in den hinteren Bereich, weg von der Bar. Von hier aus ist es augenblicklich besser. Sie trifft Ton um Ton und ich fliesse gleichzeitig immer weiter ab – in den Strudel der Unaufmerksamkeit. Ich weiss nicht woran es liegt, sie hat Talent, ihre Stimme ist genial. Musik ist halt eben doch ganz viel Gefühl und das wollte sich partout nicht ausbreiten. Darum schaue ich nach dreissig Minuten in die Gesichter meiner Kolleginnen – diese wiederspiegeln meine Empfindung.

Ungewollte Groupies

Die Umbauzeit der Bühne nimmt kurze Zeit in Anspruch, das Set-Up von Dean Lewis sind lediglich zwei Stühle, drei Mikrofone und sein Piano.

Ui nei, denke ich mir, wir stehen direkt vor dem Eingang der Bühne. Wie Groupies! Was soll’s – nach etwa einer halben Stunde ist es dann soweit, ich rede angeregt mit den anderen und verpasse, dass Dean Lewis an mir vorbei geht. Gopf! Jetzt hatte ich einmal einen Groupie-Platz als Nicht-Groupie und verpennte es trotzdem.

Er spricht kurz etwas ins Mikro, à la ich bin Dean Lewis, meine Ohren sind noch nicht an den Australischen Akzent gewohnt. Mit Need You Now eröffnet er seine Show. Shit! Der hat eben schon verdammtes Talent, denke ich.

Immer wieder schaue ich nach links und rechts, jetzt muss er noch was bringen, irgendeinen Spruch mit Oslo, einen Zwinker oder einen doofen Spruch über Big, seinen Gitarristen. Wieso? Dean Lewis und seine Instagram Stories sorgen täglich für Unterhaltung, unteranderem mit diesen Themen. Live lässt er jedoch lieber seine Musik sprechen.

Wo bleibst du, mein Sucht-Moment?

Das mehrheitlich junge Publikum singt fast jeden Song mit. Vor allem bei Songs wie Waves, Lose My Mind oder Chemicals wird er fleissig begleitet. Zwischendurch schüttle ich den Kopf – ich kann es nicht recht begreifen, er ist echt gut, saugut, doch ich vermisse diesen Moment, bei dem ich in meine geliebte hypnotisierte Starre komme.

Sein Lied Tumble kratzt ganz schön an meiner innerlich gesteckten Messlatte, ich schwanke, er lockert meine Sinne. Wenn auch nicht ganz so intensiv, dass ich alles um mich herum vergesse, doch ziemlich nah dran.

Mit 7 Minutes trifft Dean Lewis schlussendlich meinen lang ersehnten Hypnose-Auslöser. Direkt und ehrlich singt er diesen Song. Ich glaube, ich weiss gerade nicht mehr, wo ich mich befinde. Mit gleicher Intensität folgt Let Go.

Zwischendurch gibt es noch ein Cover von Bruce Springsteen’s Dancing In the Dark. Durch diesen Wecker bin ich wieder im Papiersaal in Zürich gelandet, zu schade, das war viel zu kurz! Mit Be Alright schliesst er sein Set von 45 Minuten glorreich ab.

Hat sich das Fasten gelohnt? Wurden meine Erwartungen erfüllt? Ja! Ich kann diesen Künstler jedem empfehlen, der bereit ist in eine andere Welt abzutauchen, bei der das Einzige, was zählt, das Finden des Unentdeckten ist. Hört sich gar poetisch an, ist aber so.