© Natalie Steiger

Wenn du unerwartet fällst

Mittwochabend, der 20. April 2016 – ein Tag wie jeder andere. Man steht auf, geht zur Arbeit, isst was, lacht, träumt und denkt sich nichts weiter dabei. Doch dann kommt der eine Moment, an dem du fällst und zwar richtig.

Zuvor wurde noch ausgiebig geschlemmt als ich mich auf den Weg ins Zürcher Exil machte. Meine Kollegin wollte an das Konzert und spontan wie ich bin, hab ich sie begleitet. Die Vorband liessen wir aus – so ging es gegen 21 Uhr Richtung Exil. Vor dem Eingang standen einige Raucher, sie plauderten angeregt miteinander.

Innen angekommen begrüsste uns ein in blau getrunkener Raum – die grosse Discokugel in der Mitte funkelte in alle Richtungen. Auch hier war die Stimmung ausgelassen. Pünktlich um 21 Uhr startete der britische Newcomer Leo Stannard sein Set. Die draussen Verbliebenen zog es hinein, die Gespräche verstummten. Selten hab ich es miterlebt, dass einem Künstler derart grosse Aufmerksamkeit geschenkt wird.

Der erste Song wirkte sehr sanft, nahezu zerbrechlich, aber er hatte mich in der Tasche! Ich war extrem neugierig was noch kommen wird. Ganz selten wurde ein Handy gezuckt und ein Bild oder Video aufgenommen – auch das hat heutzutage einen Seltenheitswert. Ich schaue nach links, nach rechts, noch vorn, nach hinten – überall dasselbe Bild. Viele junge Frauen oder verliebte Paare. Seine Lieder zogen vorbei, wie der TGV an einer Herde Stockenten. Charmant und mit einer Prise Humor führte der erst 20 jährige durch den Abend. Dann kam der Moment – ich fiel und zwar richtig tief! Wow, endlich wieder mal ein Live-Moment an dem man unerwartet gepackt wird und in die Tiefe der Sehnsüchte gezogen wird. Ich spreche über den Track My Friend Got Love von seiner aktuellen EP Free Rein.

Zwischen den Songs wird die Position gewechselt. Mal sitzend, mal stehend, mal links auf der Bühne, mal rechts davon. Nebst seinem Gitarrenspiel stellte er seine Piano Künste unter Beweis – vor mir wurde ein Pärchen noch anhänglicher als sie es ohnehin schon waren, ihre Köpfe schienen mit Sekunden Kleber miteinander verbunden zu sein. Wie ihr seht, seine Musik hat auch eine aphrodisierende Wirkung ;)

Sein Auftritt ging ratzfatz vorbei. Nach knapp einer Stunde kündete er seinen letzten Song an. Schmunzelnd erklärte er: „normalerweise gibt es eine Türe durch die ich gehen kann oder ein Vorhang hinter den ich treten kann, aber wie ihr seht wird das schwierig heute. Wenn ich also meinen „letzten“ Song gespielt habe, drehe ich mich um und tue so als ob ich von der Bühne sei. Schreit so laut ihr könnt und ich werde euch danach die Zugabe gebe, OK“? Das Publikum lachte – gesagt getan. Der letzte Song wurde gespielt, er drehte der Meute den Rücken zu und wir schrien so laut es ging. Nach einer kurzen Minute drehte er sich um und meinte „OK wie ihr wollt, ich spiele euch eine Zugabe. Könnt ihr euch vorstellen wie peinlich es gewesen wäre, wenn ihr keinen Mucks gemacht hättet während dem ich umgedreht auf der Bühne da stand?“ ein Lachen rauscht durch die Leute und die Zugabe wurde zum Besten gegeben. Mit einem Grinsen im Gesicht verliess er die Bühne und huschte zum Merch Stand.

Diesem jungen Musiker muss man eine Chance geben – für alle Fans von Sam Garret oder John Mayer.