Natural Sound Openair
© Simone Sonderegger

Grau in Grau, aber farbenfroh

15. Natural Sound Openair 2017, Kiental: Grau ists und doch habe ich einen Bikini dabei: 1. Es gibt auf dem Gelände einen Swimming Pool mit Blick auf die Bühne, 2. es wird laut Wetterbericht schön(er) und 3. hatte ich diesen letztes Jahr schmerzlichst vermisst.

Ein Artikel von Gastautorin Simone Sonderegger

Zu den etwas sphärischen Klängen von Silberen betrete ich am 02. Juli das Festivalgelände. Die experimentell- volkstümlichen Klänge sind mir gerade etwas zu intellektuell für den Sonntag Morgen. Erstmal Kaffee.

Das Natural Sound Openair findet zum fünfzehnten Mal auf dem Gelände des Kientalerhofes im Kiental statt. Sehr klein ist es, eines der kleinsten Openairs, das ich kenne. Es ist so klein, dass es sogar ohne Security auskommt. Es ist alles vorhanden was du brauchst und mehr. Sogar ein Zeltplatz. Und ein Swimming Pool.

Der Kientalerhof ist Ausbildungsort für u. a. Craniosakral und Shiatsu, so kommt man in den Genuss sich zwischen den Konzerten fachgerecht aber günstig verwöhnen zu lassen. Für Verpflegung ist ebenfalls gesorgt. Von Bratwurst über Vielkornreis zu Tofu mit Algen und Zwiebelchutney: Das Buffet ist reichhaltig und der Platz zum Essen gedeckt.

Natural Sound Openair
© Simone Sonderegger

Für die zweite Band des Tages bin ich dann gestärkt und verköstigt: Das farbenfrohe Multi-Kulti Trio JMO begeistert vom ersten Moment an. Moussa aus Senegal singt sich mit seiner glasklaren Stimme direkt ins Herz, Omri aus Israel zeigte sein rhythmisches Können mit Instrumenten aus Kürbishälften oder einem Berner Hang, während Jan unter anderem mit Bassklarinette virtuos zum Klangbild beträgt. Die Lebensfreude der Künstler ist ansteckend, die erzählten Geschichten trotz Fremdsprache über die Musik verständlich. Und sie lassen sich nicht aus der Ruhe bringen: nicht durch im Eifer zu Boden fallende Instrumente oder durch Kinder, die mit einem Plastikbecher bei der ruhigsten Stelle des Konzerts deutlich hörbar (und arhythmisch) den Takt klopfen.

Im Laufe des Nachmittags sinkt mein Bedürfnis, meinen Bikini zu benutzen, stattdessen suche ich in meiner Tasche vergebens nach Wollsocken. Zur Ablenkung mache mich auf zur Musik-Improvisation in der Dorfkappelle. Der Rahmen ist mit sechs Leuten sehr intim, aber bereichernd. Wir experimentieren mit Rhythmen, Instrumenten und der eigenen Stimme und haben so ein Klangerlebnis der anderen Art.

Danach ist erstmals eine Pause angesagt. Mit Gesprächen und einem bluesig im Hintergrund plätschernden Hank Shizzoe (perfekt für den Sonntag Nachmittag) bereite ich mich auf mein persönliches Highlight vor: die Kummerbuben. Und die rumpeln dann auch pünktlich los. Der Sänger Simu Jäggi sieht auf den ersten Blick aus wie ein Autoverkäufer: schlanke Figur, blonde Schmalzlocke, Lederjacke. Die Stimme hingegen klingt, als käme sie aus dem dunkelsten Schuppen der Stadt, um 3 Uhr Morgens, nach einer Flasche Wiskey und zwei Schachteln Zigaretten. So gegensätzlich klingt auch die Musik. Eine für mich perfekte Mischung aus düster und fröhlich, tanzbare Rhythmen und hintergründige Texte. So bleiben auch die wenigsten stehen, sondern tanzen sich im beginnenden Nieselregen die Füsse warm. Auch mich hält die Begeisterung bis zum Schluss in Bewegung.

Das Konzert endet pünktlich fürs letzte Postauto ins Tal. Ob ich das nächste Jahr wohl die Wollsocken oder das Bikini mitnehmen soll? Am besten beides. Sicher ist sicher.