Mimiks
© Nina Salvador

Ein böser Bass

Am Samstagabend, 21. Oktober 2017 feierte Mimiks seine Show im Winterthurer Salzhaus. Ein Ausflug in die Schweizer Rap-Kultur und vielen unerwarteten Aktionen. Dranbleiben!

Zu bereits dunkler Stunde machte ich mich auf den Weg vom Bahnhof Winterthur ins Salzhaus. Der Parcour führte vorbei an feierwütigen Jugendlichen, leeren Glasflaschen und sonstigem Wirrwarr an so einem Samstagabend am Bahnhoftreff. Ich passierte den Club Bolero und zielte schnurstracks Richtung Salzhaus zu. Bin ich tatsächlich zur richtigen Zeit am richtigen Konzert gelandet? Gab es einen Event-Austausch mit einer ü16 Party? Von der Grösse her kann ich zwar noch knapp mithalten, aber beim Anblick dieser Warteschlange fühlte ich mich des Alters wegen plötzlich wie eine Aufpasserin dieser Fanhorde statt einer Konzertgängerin. Oje!

Vorbei an der strengen Alterskontrolle, dem Tickethäuschen und der Security und rein in den fancy Schuppen. Ich mag das Salzhaus ja wirklich gut und es arbeiten auch einige meiner Kollegen dort mit – dieses Mal war es jedoch nur minimal besucht. Kurz vorher habe ich noch erfahren, dass als Support der CH-Rapper ALI angesagt ist. Bis dahin vertrieb ich mir die Zeit mit Umfragen ausfüllen und beobachtete das Schauspiel um mich herum.

Um 21.15 Uhr stand ALI dann mit breitem Khurerdialekt auf der Bühne. Das Dreiergespannt (zwei Rapper, ein DJ) drehte dann erstmals den Bass so richtig auf – also so richtig! Kurz machte ich mir Gedanken um meinen regelmässigen Herzschlag, aber ohne Herzschrittmacher standen die Chancen gut. Sein neustes Album Erol hatte einen Tag zuvor Release und somit wurde immer mal wieder ein bisschen Promo dafür gemacht. Als Hoffnung von Chur gab Rapper ALI volle Power auf der Bühne, um das blutjunge Publikum aufzuwärmen. Er schmiss mit Wasser um sich rum, verteile Shots ans Publikum (natürlich nur die ü18), labberte non-stop, tolerierte einen wildgewordenen Fan auf der Bühne und gab ihm dann auch noch einen Kuss auf die Stirn – summa summarum ein cooler Beat, viel Energie und noch mehr Bass.

Dazu muss ich noch sagen, dass ich eigentlich eher als Konzertgängerin des Rock-/Metal Genres bekannt bin. Nichtsdestotrotz bin ich gegenüber allen Musikstilrichtungen sehr offen und lasse mich immer wieder gerne überraschen. Für mich ist die Leidenschaft eines Künstlers das A und O. Wenn dann noch ein guter Beat dabei ist und die Freude des Künstlers auf der Bühne spürbar ist, perfekt!

Trotzdem schien ich einfach nicht recht dorthin zu passen und fühlte mich ein bisschen wie im falschen Film. Den klischéehaften Dresscode „Jogginghose, Cap, Goldkette“ habe ich eindeutig verfehlt und fiel somit wahrscheinlich nicht nur durch das Heben des Durchschnittsalters aus dem Rahmen.

Die Jugendlichen waren inzwischen aufgewärmt. Ob vom Supportact oder dem harten, in Strömen fliessendem Alkohol sei dahingestellt – wahrscheinlich eine Mischung aus beidem. Ein paar DJ-Beats später traten dann Mimiks auf die Bühne. Mit weissem Schweisstuch über die Schultern und „Jong & Hässig Reloaded“-Shirt.

Der Bass und die Energieladung gingen in die zweite Runde

Mimiks brachte seine Tophits. Det wo ech här chom, 041 Homeparty, Alles oder nüd oder Tüüfgarage vom Album Jong & Hässig Reloaded (2017) wurden auf dem Silbertablett serviert. Auch Rapkollege EffE kam kurzerhand noch auf die Bühne, er durfte schliesslich beim Song Effe sin Hund nicht fehlen. Ausrufe wie „Fuck, ihr sind so chrank im Chopf“ oder „Ich bin am düregheie“ folgten. Die Bühne war durch das ausgeschüttete Wasser nun eine wahre Rutschpartie. Mimiks hat inzwischen blankgezogen und rappte kurzerhand mit freiem Oberkörper weiter – zeigen konnte er diesen allemal. Auch das wurde von dem mehrheitlich männlichem Publikum natürlich gefeiert.

Die brandneue Single Million – ein Song mit Potenzial zum Chartstürmer

Geiler Scheiss. Dazu meint der Luzerner Rapper: „Im Song geht es um Bescheidenheit. Der Hook handelt von einer Person, die mehr wert ist als jedes Geld der Welt.“

Auch interessant fand ich all die Aufforderungen sich hinzuknien, um dann wieder gemeinsam aufzuspringen und den selbsternannten „Circle of Death“. Analog zum „Wall of Death“ in den Metalkreisen, einfach in Kreisform. Sprich: Die Zuschauer bilden einen Kreis und rennen dann auf Kommando oder Beatbeginn aufeinander los und pogen umher. Bei der Zugabe Reloaded kamen dann nochmals alle auf die Bühne und es gab kein Halten mehr, die Menge spürte sich nicht mehr. Power und Beat pur. Die Autogrammstunde und die Afterparty liess ich dann sausen, durfte aber auch so einen spannenden Abend der etwas anderen Art verbringen.

Cooler Sound dank neuer Flowtechniken, kreativen Wortspielen und starken Doubletime Passagen. Ein Ausflug in eine mir unbekannte Welt. Irgendwie sympathisch, irgendwie kollegial, irgendwie entfremdend, irgendwie anders, irgendwie cool.