Tamino
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Der Ruf der Verlockung – das Montreux Jazz Festival

Am 06. Juli 2018 war es für uns soweit – wir fuhren von Zürich an die wunderschöne Riviera des 52. Montreux Jazz Festivals.

Die Wettervorhersage war eher mies, jeden Tag Sonnenschein ausser Freitags, den 06. Juli 2018. Warm ja, Regen leider auch ja. Wir lassen uns überraschen, haben wir gedacht. Nach einer kurzen Fahrzeit beglückwünschte uns strahlender Sonnenschein. Fast ein wenig kitschig der Anblick über das Lavaux in Kombination mit dem Genfersee und dem Walliser Alpenpanorama.

Es war noch früh, gegen 17 Uhr stiessen wir in die Montreux Jazz Festival Menge hinein und überliessen uns dem Menschen-Strom. Ja in welche Richtung soll es denn gehen? Nach links oder doch nach rechts? Wo ist denn dieses Media Center? Mit leicht verstaubten Französischkenntnissen wurde es schlussendlich gefunden: Im Auditorium Stravinsky.

Alles Gute kommt von oben

Das sommerliche Wetter hielt nicht lange, Nieselregen setzte ein und die herrlich einladenden Festbänke direkt am Seeufer glänzten uns nass entgegen. Nun hat die Meteo-App wohl doch Recht gehabt! Nichtsdestotrotz muss jetzt was gegessen werden, mit leerem Magen lässt sich’s nicht aushalten. Die (grosse) Pasta-Portion mit Pesto Sauce schmeckte gut. Im Stehen Essen ist auch ok, doch unterhalb eines Baumes fand sich doch noch ein trockener Treppenabsatz zum hinsetzen. Gemütlich speisend, nichts ahnend, passierte es dann. Ein Vogel kackte mich an. Ja toll – lautes Gelächter um mich herum setzt ein. Das nenne ich mal Schicksal. Zwei Tage zuvor dachte ich mir noch, hej es hat schon lange kein Vogel mehr auf mich gekackt. Nachdem sich die Leute um mich herum einigermassen beruhigt haben und ich wieder sauber war, ging es Richtung „Music in The Park“.

Wo Gelassenheit auf Freude trifft

Im „Music in The Park“ steht eine Open-Air Bühne für jedermann zugänglich und komplett gratis. Was als erstes auffällt sind die Menschen. Les Welsch haben uns Deutschschweizern einfach eins weit Voraus – sie sind wahrhaftige Geniesser! Die Stimmung kurz nach 19 Uhr ist ausgelassen, der Regen hat sich bereits wieder verzogen und auf der Bühne steht die Hip-Hop Combo Sim’s. Ausgefeilt und wortgewandt zeigt sich die Gruppe dem Publikum. Zwischendurch werden sie von Caroline Alves begleitet. Eine sehr erfrischende Performance von einer ebenso sympathischen Gruppe.

Hilfe, wo bin ich

Für diesen Abend gehörten wir ganz dem Jazz Lab. Auf dem Programm steht: Tamino, Adam Naas und zu guter Letzt James Bay. Tamino startete pünktlich um 20 Uhr. Sein Publikum? Ein halbvoller Saal gefüllt mit mehrheitlich erwartungsvollen junge Frauen. Kenne ich Tamino? Nein, noch nie gehört. Ich lasse mich komplett unvoreingenommen auf den Abend ein.

Gewichtige Klänge erklingen, ein Scheinwerfer leuchtet den Sänger, Tamino, an. Das komplette Jazz Lab ist mucksmäuschenstill und horcht auf jede Note die Tamino in das Mikrofon haucht. Unweigerlich werde ich in kürzester Zeit in seinen Bann gezogen. Was macht dieser Sänger mit seiner Stimme? Was strahlt er aus? Eins ist klar, er ist kaum fassbar. In seinen Stücken liegt viel Schmerz und Leid. Bei Habibi erinnert mich der belgische Sänger an einen Schlangenbeschwörer. Mit Cigar rauscht eine betörende, wenn nicht lustvolle Welle über die Zuschauer. Es knistert förmlich in der Luft und ich kann es kaum begreifen, doch ich bin mir sicher, dass meine Nachbarn gleich fühlen. Spätestens beim Refrain ist es dann um das Paar neben mir geschehen – ihre Zungen wollen sich nicht mehr voneinander lösen. Wer kann es ihnen übel nehmen, Tamino stimuliert da ganz Gewisse Köperregionen des Publikums… Egal ob hypnotisierend-lustvoll oder mystisch-klagend, Tamino ist eine ganz spezielle Erscheinung mit einer ebenso bleibenden Stimme. Nach dreissig Minuten ist der Genuss vorbei. Doch was bleibt ist die Garantie, dass dieser Sänger die Konzerthallen in naher Zukunft erobern und füllen wird.

Pause die Erste

Das muss nun erst einmal verdaut werden. Solche unerwartete Erlebnisse gehen immer unter die Haut und sind ein Beweis, dass Musik Emotionen auslöst welche man nicht verstehen muss.

Der Franzose Adam Naas stand als zweites auf dem Programm. Der Musiker mit seiner extrem hohen Stimme ist das pure Gegenteil Taminos. Sein quirliges Auftreten umhüllt der Sänger in einem stylischen Bademantel. Mit Cherry Lipstick wird sofort tanzbarer Sound angespielt. Zwischendurch reisst er Witze mit dem Publikum und kreist seine Hüften lasziv vor der ersten Reihe hin und her. Auch hier huscht Staunen auf mein Gesicht. Wie kann er nur so extrem hohe Töne treffen und zeitgleich derart tief-warme Klänge preis geben? Der Auftritt von Naas dauert eine Stunde und hinterlässt ein positives Gefühl. Der Name Prince fiel einige Male während des Konzertes. Für mich ein nachvollziehbarer Vergleich, zumal auch Naas eine Erscheinung ist die aus der Menge heraussticht.

Renner oder Penner?

Der Brite James Bay sollte sich als krönenden Abschluss anpreisen. Wird er das auch sein? Mit kurzer Verspätung trat er um 22.45 Uhr auf die Bühne, Wasted On Each Other erklang und das Publikum setzte zu den ersten Schreien an. Mit engen Lederhosen und schwarzem T-Shirt beglückt er die Zuschauer. Seine kurze Mähne tänzelt bei jedem Song galant um sein Gesicht. Im Mai erschien sein zweites Album Electric Light. Weniger Singer-Songwriter mehr Elektronische-Radio-Pop-Hymnen. Dem Montreux Jazz Festival Besuchern scheint es zu gefallen. Egal ob ruhigere Songs wie Wild Love oder rockigere Momente bei Pink Lemonade, die Menschen sind Wachs in seinen Händen. Zwischendurch meint er fröhlich „ich hab mir schon so viele Montreux Jazz Festival DVD’s angeschaut und nun stehe ich selbst hier“.

Als er dann noch Tina Turner’s Simply The Best spielt wird es dann doch zu viel für mich. Ich weiss nicht woran es liegt. 2014 habe ich den Song Hold Back The River wirklich gefeiert. Natürlich ist dieser Song heute Abend die Zugabe und ein krönender Abschluss eines einstündigen Konzertes. Doch es wollte einfach nie aufkommen. Die Freude an dem Konzert, die Lust sich komplett hingeben zulassen. Zweifelsohne traf er jeden Ton, jedoch nicht mein Herz. Für mich war James Bay heute eine Hülle, die ein wenig angeschlagen Aussah und sein Programm strebsam runterspielte. Vielleicht lag es auch einfach an dem nichtvorbeikommenden Tamino zu Beginn.

Kurz vor 01 Uhr ist für uns dann Schluss – wir sind k.o. und die Sommergrippe welche mich am nächsten Tag heimsucht lässt sich mit Tamino noch besser ertragen ;)